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Roma im Rampenlicht

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Die soziale Situation der Zigeuner in Osterreich ist schlecht. Besondere Aufmerksamkeit und Hilfe bekommen derzeit nur die Roma von Oberwart.

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Die soziale Situation der Zigeuner in Osterreich ist schlecht. Besondere Aufmerksamkeit und Hilfe bekommen derzeit nur die Roma von Oberwart.

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Der brutale Terroranschlag von Oberwart in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1995, der vier Roma das Leben gekostet hat, ist vielen noch in trauriger Erinnerung.

Die Spenden für Witwen und Waisen der Opfer haben fürs erste geholfen. Hilfsprojekte wurden von höchster Stelle prompt zugesagt. Bei näherer Betrachtung der wirtschaftlichen Lage der Zigeuner in Österreich erscheinen Hilfsmaßnahmen auch bitter nötig, denn das Berufsfeld dieser Gruppe hat sich grundlegend geändert. Früher haben die einzelnen Familienmitglieder immer „zusammen” verdient. Verdiente einer gut, haben die anderen mitgelebt. Gutes Geld machten etwa die Musiker, die eine Tradition pflegen, die aus Ungarn stammt und noch heute sehr lebendig ist. Alte Berufe wie Kesselflicker, Siebmacher, Bären Vorführer oder Scherenschleifer, um nur einige zu nennen, sind ausgestorben. Solche Dienste braucht heute niemand mehr. Die Zigeuner von heute haben wenig Möglichkeiten, sich attraktive Berufe auszusuchen. Ihre Schulbildung ist mangelhaft, aufgrund der Muttersprache „Romanes” haben die Zigeuner Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen. Viele wurden in Sonderschulen abgeschoben oder sind überhaupt Schulabbrecher. Erst seit kurzem gibt es eine außerschulische Betreuung von Zigeunerkindern.

Vor allem die Jugendlichen unter den Zigeunern sind arbeitslos. Sie bekommen keine Lehrstelle, schwere Arbeit dürfen sie auch noch nicht verrichten. Als Erwachsene landen sie zum Großteil am Bau oder in Beinigungsfirmen als Hilfsarbeiter. Manche sind Händler. Daß Zigeuner eine führende Bolle im Drogenhandel und im Prostituiertenmilieu spielen, wie oft behauptet wird, ist wohl übertrieben. Einzig auf die tschechische Hauptstadt Prag dürfte dies zutreffen. Das hat historische Gründe: Vor rund 15 Jahren sind viele Zigeuner von den Kommunisten aus der Slowakei nach Tschechien zwangsumgesiedelt worden, man brauchte dort Fabriksarbeiter. Mittlerweile gibt es diese Fabriken nicht mehr, die Zigeuner wurden ihrem Schicksal überlassen. Manche sind in der Kriminalität gelandet (was übrigens bei den Zigeunern verpönt ist).

Ihr Bevölkerungsanteil in Österreich ist zu gering, um ihn in Prozentanteilen an der Gesamtbevölkerung ausdrücken zu können. Au-tochthone gibt es etwa 5.000, die Hälfte davon lebt im Burgenland. Das heißt, diese sind schon in der dritten Generation in unserem Land beheimatet und besitzen auch die österreichische Staatsbürgerschaft.

Weitaus größer ist die Anzahl der Gastarbeiter, die auf etwa 15.000 bis 20.000 geschätzt wird und großteils in Wien lebt. Sie können deswegen nur geschätzt werden, da sich die meisten nicht deklarieren, sie sind „ämterscheu” (eine beträchtliche Anzahl wird auch unter den Bosnien-Flüchtlingen vermutet). Dies führt natürlich zu den bekannten Schwierigkeiten mit Aufenthaltsund Arbeitsbewilligungen. Viele Zigeuner erhalten nach der winterbedingten Arbeitslosigkeit oft keine Arbeitserlaubnis mehr. Außerdem sind viele mit den Anträgen überfordert, übersehen die Einreichfrist. Renata M. Erich, Beraterin des „Romano Centro” im elften Wiener Gemeindebezirk, hat ständig mit solchen Fällen zu tun und vermutet Diskriminierung dahinter: „Wir beraten auch andere Ausländer. Zigeuner werden von Amts wegen weit öfter abgelehnt als jene.” Die gesellschaftliche Anerkennung der Zigeuner sei bei uns insgesamt um nichts besser als etwa am Balkan, klagt sie.

Ein sehr großes Problem für viele Zigeuner ist die Sorge um Unterkünfte. Das österreichische Aufenthaltsgesetz verlangt zehn Quadratmeter pro Person, das ist für die meist in größeren Familienverbänden lebenden Zigeuner nicht leistbar. Man kommt unweigerlich mit dem Gesetz in Konflikt. Erich: „Auch wir können diesen Familien nicht helfen. Wir haben kein Geld.”

Einen Sonderstatus, was Hilfestellungen betrifft, haben derzeit nur die Roma in Oberwart inne. Ein erstes Bauprojekt ist derzeit in Planung. Sie sollen besser ausgestattete Wohnungen und Häuser bekommen, wobei die Miete von ihnen selbst getragen werden muß. Innerhalb der nächsten sechs Monate sollen die Vorbereitungen dafür abgeschlossen sein. Ein Sprachprojekt zur Erhaltung der Roma-Sprache, das schon seit Anfang 1994 läuft, soll ebenfalls forciert werden.

Die Sorge und das Mitgefühl für die Roma durch die Öffentlichkeit nach dem Bombenattentat im Februar hatten aber auch ihre Schattenseiten: Stefan Horvarth, Stiefvater von Peter Sarközi, einem der Opfer des Anschlags und selbst Roma,

Erangert die Oberflächlichkeit der erichterstattung an: „Die Zeit nach dem Attentat war wirklich schlimm, eine reine Ausschlachtung. Es wurde nur Schwarz-weiß-Malerei betrieben.”

Das ständige mediale Wiederkäuen von Vorurteilen habe auch negative Auswirkungen auf die Arbeit des Oberwarter „Vereins zur Förderung von Roma” gehabt. Horst Emmerich Gärtner-Horvarth, Geschäftsführer des Vereins, sieht sich vor einem Scherbenhaufen: „Meine ganze bisherige Arbeit ist fünf Tage nach dem 4. Februar zunichte gemacht worden. Man hat sich natürlich dann gefragt, wozu es unseren Verein überhaupt gibt, wenn ohnehin nichts geschehen ist.”

Geärgert hat die Roma vor allem der Vorwurf gegen die Oberwarter Bevölkerung, sie prinzipiell zu diskriminieren. Stefan Horvarth: „So war es ja wirklich nicht. Wer sich von uns für etwas interessiert hat, der war nie ausgeschlossen. Es gibt zwar noch Lokale, die uns nicht wollen. Aber die sind in der Minderheit.” Auch wenn es in der Vergangenheit schlimmer war, wie er noch aus eigener Erfahrung weiß.

Daß das Verhältnis Roma zu Nicht-Roma nicht so schlecht ist wie vermutet, dürfte nicht allein an ihrer geringen Anzahl liegen (nur 117 der insgesamt 6.400 Einwohner sind Roma). Vielmehr ist es dem Engagement des Roma-Vereins zuzuschreiben, dem übrigens ältesten von insgesamt vier in Ost-Österreich. Er besteht seit 1989 und hat viel zu einer besseren Reziehung zu den NichtRoma beigetragen. Ein wichtiges Ziel der Roma wurde im Dezember 1993 ebenfalls erreicht: Die gemeinsame Anerkennung der Roma und Sinti als Volksgruppe durch den österreichischen Staat. Eine Anerkennung, die in den Köpfen vieler aber erst vollzogen werden muß.

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