6715135-1964_39_07.jpg
Digital In Arbeit

Unternehmen „Ben Hur“

Werbung
Werbung
Werbung

Zur gleichen Zeit etwa, in der Spanien die Maurenaustreibung beendet hatte, begann eine neue Invasion: Die Zigeuner kamen im 15. Jahrhundert auf die Halbinsel und haben sich im Verlauf der Jahrhunderte auf ihr festgesetzt, ohne seßhaft zu werden. Im heutigen Spanien leben etwa 75.000 Zigeuner, größtenteils auf einer mittelalterlichen Kulturstufe. Zahlenmäßig am stärksten treten sie in und um Barcelona, Granada, Valencia, Vallado lid, Badajoz und Madrid auf. In der Hauptstadt selbst gibt es zirka 400 Zigeunerfamilien, deren genaue Mitgliederzahl jedoch kaum festzustellen ist, weil sie allen staatsbürgerlichen Gepflogenheiten zum Trotz weder Geburten noch Eheschließungen oder Todesfälle registrieren,

Zwar hat der spanische Staat schon verschiedentlich Versuche zur Integration dieser Zehntausende von Zigeunern unternommen. Aber bis- hier freilich ohne den gewünschten Erfolg.

Es bedurfte erst einer dramatischen Situation und des beherzten Eingreifens einiger selbstloser Menschen, um die Lage — vorerst eines kleinen Teils der Zigeuner Spaniens — zu ändern.

Freiwillige greifen ein

Als man vor einem Jahr mit den Kanalisationsarbeiten des Madrid durchfließenden Manzanares begann, mußten Hunderte von Personen, darunter fünfzig Zigeunerfamilien, ihre Notquartiere räumen. Sie zogen an einen „El Vertedero“ — Müllplatz — genannten Ort, wo sie sich in die Erde einwühlten oder Buden errichteten. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Aussätzigenstadt des Films „Ben Hur“ taufte der Volksmund diese neue Ansiedlung nach dem Leinwandwerk. Die Nicht-Zigeuner aus „Ben Hur“ erhielten bald Wohnungen in einem neuerbauten Viertel. Zurück im Abfall und Schmutz blieben die Zigeuner, da ihre Lebensgewohnheiten nicht mit normalen Häusern in Einklang zu bringen waren. Das zumindest war die Überzeugung der zuständigen Stellen.

Doch es fanden sich einige Menschen, die anderer Ansicht waren: Sieben Ehepaare, ein Geistlicher, ein Fürsorger, Studenten und Universitätsprofessoren wagten ein Experiment. Sie bildeten die „Vereinigung Altamira“, nach den berühmten nordspanischen Höhlen benannt, die die Eingliederung der Zigeuner in die heutige spanische Gesellschaft zum Ziel hat. Am Anfang verfügte diese Vereinigung nur über zirka 10.000 Schilling, ihre Arbeitskraft und viel guten Willen. Damit begann sie den Bau von vorerst 46 Wohnungen mit je zwei Zimmern und Wohnküche für die Zigeuner. Akademiker und Studenten betätigten sich in ihrer Freizeit als Maurer, Zimmerleute und Schlosser. Und hier stellte sich der erste erzieherische Erfolg ein: Die allgemein als arbeitsscheu verschrieenen Zigeuner packten mit an.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung