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Völker im Volke Österreichs

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Die Zigeunei

Die Zigeuner sind auf dem Boden der Republik Österreich erst seit der Einbeziehung des Burgenlandes (Westungarn) eine Volksgruppe geworden. Sie stellen die einzige Volksgruppe in Österreich dar, die nach der Volkszugehörigkeit erheblich zahlreicher ist als nach der Sprach-zugehörigkeit. Sie als Sprachminderheit zu bezeichnen wäre bedenklich, wenn nicht wissenschaftlich — und zwar sowohl volkswissenschaftlich wie rechtewissenschiaftlich nach dem österreichischen Verfassungsrecht — überhaupt falsch. Ebenso wäre es aber verfehlt, die Zigeuner nur als rassische Minderheit ansehen zu wollen. Sie sind ein Volk1. Volk und Rasse fallen begrifflich völlig auseinander, was man wohl aim besten daraus ersehen kann, daß es keine Rassen,jgruppe“ im Sinne von gegliederter Gemeinschaft gibt. Rasse ist ein Begriff materialistischer Art, gehört zur Anthropologie und Anthro-po-Morphologie*. Bei Behandlung von Volkstumsfragen sollte man ihn möglichst außer Betracht lassen. Das muß gerade in Österreich gesagt werden, wo der „Rassismus“ vor nicht allzu langer Zeit noch ernsthafte Verfechter hatte*.

Daß die Zigeuner auch eine Rasse sind, sich jedenfalls auch durch Rassenmerkmale von den Menschen ihres jeweiligen Herbergsstaates fast stets unterscheiden, ist richtig, doch stellt das rassische Element dabei nur ein objektives Merkmal (unter vielen anderen objektiven Merkmalen) dar, das die Volkszugehörigkeit ermitteln läßt. Bekenntrais und objektive Merkmale zusammen ergeben ja erst die Möglichkeit, beim einzelnen Menschen seine Volkszugehörigkeit zu bestimmen.

Wandern im begrenzten Raum

Die Zigeuner sind im allgemeinen zwar nicht seßhaft und gelten als Nomaden. Ihre Stämme haben aber doch einen gewissen Wanderungsraum, der ihnen im weiteren Sinn Heimat ist. Zu den Wanderungsräumen bestimmter Zigeunerstämme gehörte das alte Ungarn mit einigen im Osten und Nordosten angrenzenden Gebieten (Bukowina, Rumänien, Galizien). Versuche der Kaiserin Maria Theresia und Josephs II., sie seßhaft zu machen, scheiterten, doch waren jedenfalls in Westungarn Zigeuner bodenständig in dem erwähnten weiteren Sinn, und diese Zigeuner kamen mit diesem Teil Ungarns, dem späteren Burgenland, 1921 zur Republik Österreich. Vorher hatte es im Gebiet des heutigen Österreich keine hier heimischen Zigeuner gegeben.

Schwierige Ermittlungen

Fragt man nach der Anzahl der Zigeuner in Österreich, so stößt man auf Schwierigkeiten. In Ungarn wurden die Zigeuner nicht als solche ge-

zählt, sondern figurierten für Westungarn zumeist unter den Magyaren oder Kroaten, jedenfalls nicht unter den Deutschen. (In der Bukowina waren sie meist bei den Rumänen untergebracht.) Erstmals wurden die Burgenlandzigeuner bei der Volkszählung 1934 amtlich gezählt, nachdem eine von der Gendarmerie 1927 privat vorgenommene, erst 1933 veröffentlichte Zählung* 3235 männliche und 2797 weibliche Zigeuner ermittelt hatte. Die Zählung 1934 war eine Sprachzählung, nur die Zigeuner wurden nach Volkszugehörigkeit gezählt. Dies ergab 6507 Angehörige der Volksgruppe der Zigeuner (2,2 Prozent der Bevölkerung). Die Aufarbeitung der Volkszählungsergebnisse in Einzeldarstellungen' ergab allerdings etwas ganz anderes, nämlich 3334 Burgenlandzigeuner (Volkszugehörigkeit) und 6834 Zigeuner für ganz Österreich. Das ist offenkundig falsch. Zur selben Zeit nennt der „Große Herder“ für das Burgenland 18.000 Zigeuner. In all diesen Ziffern kommt zum Ausdruck, wie schwierig es ist, Zigeuner überhaupt zu zählen, zumal wenn gleich einige hundert in nahem Umkreis Horvath heißen.

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