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Das Fanal von Oberwart

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Die Nachricht vom Attentat auf vier Angehörige der Volksgruppe der Roma in Oberwart hat mich, wie wohl die meisten Österreicher, bestürzt und erschüttert. Darüber hinaus geht mir der feige Mord deshalb besonders nahe, weil ich in Oberwart geboren bin und die lokalen Verhältnisse recht gut kenne.

Ich erinnere mich auch an eine Episode aus der Zwischenkriegszeit, die mir meine Mutter immer wieder erzählte. Sie war in der Gemeindekanzlei des unweit von Oberwart gelegenen Städtchens Pinkafeld als Hilfskraft ihres Vaters, der dort als Oberamtmann fungierte, tätig und erinnerte sich an eine Gemeinderatssitzung, in der in Zusammenhang mit Kosten, die der Gemeinde durch dort lebende Zigeuner erwuchsen, ein Teilnehmer der Sitzung die Frage stellte: „Woher kommen denn diese Zigeuner überhaupt?”

Mein Großvater antwortete: „Wahrscheinlich aus Indien.” Daraufhin machte ein Gemeinderat die Bemerkung, die er in eine Frage kleidete: „Kann man sie nicht auf Gemeindekosten dorthin zurückbugsieren?”.

Diese Episode zeigt, daß es auch schon früher Schwierigkeiten mit dieser in ihren Lebensgewohnheiten von der übrigen Bevölkerung abweichenden, nomadisierenden Menschengruppe gab, aber es kam nie zu Gewaltakten und Ausschreitungen.

Erst dem Dritten Beich und dem damaligen, heute noch lebenden Gauleiter Tobias Portschy blieb es vorbehalten-, das Burgenland „zigeunerfrei” zu machen und die Angehörigen dieser Minderheit der Hitlerschen Vernichtung zuzuführen. Auch die jüdischen Gemeinden und Gemeindemitglieder des Burgenlandes, die in viel friktionsfreierer Weise mit der christlichen Bevölkerung lebten, fielen der brutalen Verfolgung anheim, die im Burgenland früher und systematischer begann als in den übrigen Bundesländern, was Gott sei Dank ungewollt auch dazu führte, daß ein größerer Teil der burgenländischen Juden als irgendwo sonst in Österreich rechtzeitig auswanderte und überleben konnte.

Daß aber auch die bestintegrierte Minderheit des Burgenlandes, die Kroaten, Zielscheibe der Aggression werden, demonstriert, daß die Neonazis von heute ihre Vorväter und Vorbilder noch zu übertreffen trachten, denn die Kroaten galten im Dritten Beich nicht als rassisch minderwertig und es gab sogar aktive Nazis unter dieser Bevölkerungsgruppe.

Der Ungeist des Nazismus hat also nicht nur seine Spuren hinterlassen, damals wurde ein Same ausgestreut, der heute noch Spätblüten treibt und fortzeugend Böses gebiert.

Darum muß die Abwehr aller demokratisch und humanitär Gesinnten alle jene treffen und im Keim ersticken, die den alten Ungeist wieder aufleben lassen.

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