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Rassenkonflikt in Böhmen

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„Zigeuner raus, Böhmen nur für die Weißen", skandierten vor kurzem im Zentrum der nordböhmischen Stadt Teplice rund hundert Skinheads. In der Zwischenzeit hielt in einem anderen Stadtteil eine andere Skinhead-Gruppe Autos auf, in denen Leute mit dunklen Gesichtern saßen. Das Ergebnis: Verletzte Roma, demolierte Autos. Manche Leute sympathisierten ganz offen mit den Skinheads.

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„Zigeuner raus, Böhmen nur für die Weißen", skandierten vor kurzem im Zentrum der nordböhmischen Stadt Teplice rund hundert Skinheads. In der Zwischenzeit hielt in einem anderen Stadtteil eine andere Skinhead-Gruppe Autos auf, in denen Leute mit dunklen Gesichtern saßen. Das Ergebnis: Verletzte Roma, demolierte Autos. Manche Leute sympathisierten ganz offen mit den Skinheads.

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Der Bürgermeister von Teplice erklärte später, daß in der Stadt viele unangepaßte Romas lebten, die Polizei machtlos sei und manche Bewohner die „Einmischung von Heimwehren" verlangten.

Ein Polizeibeamter konstatierte, daß die Aktionen der Skinheads mit der Gewaltwelle gegen Einwanderer in die ehemalige DDR zusammenhängen. Die Polizei sammelt zur Zeit Informationen Uber mögliche Treffen deutscher Neofaschisten mit tschechischen Skinheads.

Berichte über „Zusammenstöße" von Romas mit den „Glattschädeln" kommen vor allem aus Nordböhmen, aber auch aus Städten in West- und Ostböhmen. Im August drang eine Gruppe von Skinheads in einen Roma-Club in Königgrätz (Hradec Kralove) ein. Sie beschädigten zuerst mit Raschen und Steinen das Gebäude, nach dem Tumult blieb ein 52jähriger Zigeuner tot am Ort des Geschehens zurück; nachher hieß es, er sei aus dem Fenster gefallen.

In der Nacht zum 18. Oktober mußte die Polizei in Budweis (Ceske Bude-jovice) 28 Skinheads vor einer mit Äxten und Sensen bewaffneten ra-I senden Gruppe von 60 Roma beschützen. Einer der Zigeuner schwor den [Polizisten, daß er ihnen demnächst 'den noch zuckenden Kopf eines Skins bringen werde.

Nach jüngsten Angaben der Volksgruppenvertreter leben in der Slowakei 500.000 in der Tschechischen Republik 300.000 Zigeuner. In Pilsen beispielsweise sind offiziell 2.600 Roma registriert, tatsächlich leben dort aber 26.000. Diese Stadt steht in der Kriminalstatistik der Tschechischen Republik auf dem dritten Platz, nach Usti nad Labern (Aussig) und Ostrava (Mährisch Ostrau) (zur Zigeunerproblematik in der CSFR siehe auch

FURCHE 32 und 36/1991). Der Statistik nach geht ein Sechstel der Verbrechen in Pilsen zu Lasten der Zigeuner, bei den Vergewaltigungen sollen es 25 Prozent sein.

Die Repräsentanten der Roma-Bürgerinitiative ROI und andere Aktivisten sprechen oft über die Notwendigkeit der Bildung der Zigeuner, vor allem über die Abschaffung sozialer Differenzen zwischen „Weißen" und Roma.

Böses Blut machen jene Zigeuner, die als „private Valutenunternehmer" in Prag tätig sind und teure westliche „Schlitten" fahren, während ihre Landsleute in der Ostslowakei wie Tiere hausen. In derCSFR studieren fast 40 Prozent der jungen Leute an Mittelschulen, bei den Roma sind das nur 2,5 Prozent.

Pessimisten warnen in der Tschecho-Slo-wakei bereits vor großen Rassenkonflikten. Ein Teil der Roma hat über Demokratie eigene Vorstellungen, die Kriminalität unter ihnen nimmt zu, desgleichen die Brutalität der zumeist jugendlichen Täter.

Auf der anderen Seite stehen die gewalttätigen Aktionen der Skinheads. Nur eine verstärkte Bildung der Zigeuner, die Anwendung der Gesetze für alle und eine professionellere Polizeiarbeit könnte der Weg zur Verbesserung dieser katastrophalen Situation sein.

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