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Zwei Roma-Vertreter ziehen Bilanz über den ersten EU-Roma-Gipfel und fordern Anti-Rassismus-Politik.

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma:

Wir können über Hilfsprogramme für Roma und Sinti sprechen, aber solange man die Ursache für deren Benachteiligung, nämlich den Rassismus, nicht ächtet und sanktioniert, wird sich nichts ändern. Man muss diesen Menschen das Gefühl geben, dass sie geschützt sind und einen gleichberechtigten Anspruch in dieser Gesellschaft haben. Nur dann werden die Programme auch für sie verständlich und sie werden darin eine Chance für sich sehen.

Eine unserer Forderungen ist die Erweiterung der Antidiskriminierungs-Richtlinie der EU, die bisher nur für den wirtschaftlichen und privaten Bereich gilt, auf Behörden und Bürokratien. Ansonsten greift sie dort nicht, wo die Politik selbst diskriminiert und ausgrenzt. Der italienische Parlamentspräsident etwa hat gesagt, die Roma würden nicht arbeiten, und wenn, dann höchstens die Frauen als Prostituierte. Und die Kinder würden zum Diebstahl erzogen – das ist schlimmste rassistische Hetze!

Wir sind heute sensibel gegenüber Antisemitismus. Die EU-Regierungen nehmen diese Verantwortung als wichtige Voraussetzung für Demokratie wahr. Aber dieselben Staaten tolerieren die Ausgrenzung der Roma und Sinti. Das eigentliche Problem ist, dass man die Situation unserer Minderheit nur unter dem sozialen Aspekt wahrnimmt. Es geht aber nicht nur um soziale Aufgaben, sondern darum, dass wir mit rassistischer Ausgrenzung konfrontiert sind, die an die Apartheid in Südafrika erinnert.

Die Staaten und Regierungen bringen zu wenig zum Ausdruck, dass Sinti und Roma Bürger ihrer Länder sind, in denen sie seit vielen Generationen leben und in denen sie einen ganz normalen Anspruch auf gesellschaftliche Teilnahme haben.

Novica Mitic, Präsident der International Romani Union Serbien und Finanzdirektor der International Romani Union:

Für mich war dieser EU-Gipfel Mitte September ein historischer Moment: Europa hat endlich die Probleme von zwölf Millionen Menschen zur Kenntnis genommen. Ich hoffe, es ist der erste Schritt zu einer engen Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und den Roma-Vertretungen. Denn es gibt viele lokale Roma-Organisationen, aber ihre Tätigkeiten sind nicht koordiniert, es fehlt an Geld und Know-how. Eine wichtige Voraussetzung für die Vernetzung der Roma-Organisationen wären ein europäischer Roma TV-Sender, eine Roma-Nachrichtenagentur und ein Roma-Fonds.

Der Rassismus gegenüber Roma verschärft sich zusehends. Jeden Tag stellen sich an die hunderte Leute um Visa vor den ausländischen Botschaften in Belgrad an – auch vor der österreichischen. Aber für Roma ist das aussichtslos. Man wird oft schon am Telefon gefragt, ob man Zigeuner ist und dann abgewiesen – das ist mir selbst passiert. In Belgrad konnte man ja unter der Hand eine Zeitlang Visa kaufen, aber ein Rom hätte nicht einmal um 10.000 Euro ein Visum bekommen.

Solange ich mich in Österreich nur als Jugoslawe deklarierte, habe ich mich nicht diskriminiert gefühlt. Aber sobald man wusste, dass ich ein Rom bin, hat sich das geändert. Und als ich schließlich zurück nach Serbien musste, habe ich beschlossen, mich für meine Volksgruppe zu engagieren. Es gibt Roma in politischen Bewegungen, aber sie vergessen oft ihre Volksgruppe oder schämen sich dafür, Roma zu sein. Es ist an der Zeit, dass man uns als Menschen akzeptiert!

Die Stellungnahmen wurden von Birgit Lehner eingeholt.

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