Ausgegegrenzt, aber keine Nomaden

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Studien von Weltbank, UNO und OSZE zur sozialen Lage der Roma in Osteuropa.

In den EU-15-Mitgliedsstaaten werden immer wieder Befürchtungen geäußert, dass es bei der EU-Erweiterung nach dem Wegfallen der Schengen-Kontrollen und Migrations-Übergangsfristen zu einer verstärkten Zuwanderung von osteuropäischen Roma nach Westeuropa kommen könnte. Eine aktuelle Studie der UNO zeigt aber, dass das Bild der "Nomaden", das mancherorts über die Roma noch bestehen mag, falsch ist. Fast 60 Prozent der Roma sind in das Kapital-Lohnarbeitsverhältnis integriert. Nur 21 Prozent der Roma in der Region geben an, dass sie noch nie beschäftigt waren. Immerhin gibt es auch bereits eine Roma-Elite von sieben Prozent, die über einen Sekundarschulabschluss oder ein Universitätsstudium verfügen.

Sehr hoher Kinderanteil

Laut Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen ist jedoch der Anteil der Roma bei den Kindern unter vier Jahren doppelt so hoch als der derzeitige Gesamtbevölkerungsanteil, womit sich das soziale Problem in den nächsten Jahren multiplizieren wird. Knapp ein Viertel der Roma in Osteuropa leben von regulärer Lohnarbeit, 2,3 Prozent von Schwarzarbeit, 5,2 Prozent von der Arbeitslosen-Unterstützung und 14,1 Prozent von Renten, während 15,6 von Sozial- und 11,2 Prozent von der Familienbeihilfe leben. Diese Zahlen lassen den Schluss zu, dass eine beträchtliche Anzahl der Roma aus anderen Quellen heraus ihren Lebensunterhalt verdient: legale und illegale Kapitaleinkommen, selbstständige Landwirtschaft, Kriminalität, Überweisungen von Verwandten, Wohltätigkeit etc.

Bei der Frage nach dem Vertrauen, das Roma in Institutionen haben, wird die Roma-Nachbarschaft (44,5 Prozent) als auch die Nicht-Roma-Nachbarschaft (31, 4 Prozent) am häufigsten genannt. Für einen Wiederaufbau der sozialen Netzwerke wäre folgerichtig bei den Institutionen der Gemeindepolitik anzusetzen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) fordert neben dem Minderheitenschutz den Einschluss der Roma in die politischen Entscheidungsprozesse, auch auf lokaler Ebene. Zusammenarbeitsprojekte wären letztlich die am meisten Erfolg versprechenden.

Die Weltbank stellt bei ihrem Maßnahmenpaket die makroökonomische Politik der Beschäftigung sowie die Verringerung der Lohnnebenkosten in den Vordergrund. Diese hätte auf der Mikroebene die besten Auswirkungen. Darüber hinaus plädiert die Weltbank für die Vernetzung von Sozialhilfeagenturen und Arbeitsmarktverwaltungen. Die Weltbank will auch die Kindergärten, den Schultransport und die Schulkleidung für Roma gefördert sehen und schlägt die Einstellung von Roma-Kontaktpersonen in den Sozialämtern und Arbeitsmarktverwaltungen vor.

Vorrang für Menschenrechte

Aber auch die Roma müssten sich ändern, meinte EU-Kommissarin Anna Diamantopoulou bei der Budapester Roma-Konferenz der Weltbank im Sommer 2003. Wo ihre Traditionen gegen die Menschenrechte verstoßen, zum Beispiel bei der Zwangsehe für junge Mädchen oder das vorzeitige Herausnehmen der Kinder aus der Schule, um sie zum Broterwerb zu zwingen, müssten die Menschenrechte Vorrang haben.

Der Autor ist Ministerialbeamter.

Berichte im Internet:

OSZE: http://www.osce.org/hcnm/documents/reports/

UNDP: http://roma.undp.sk/

Weltbank: http://www.worldbank.org/

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