Sigi Maurer (Grüne): „Verantwortung für jede Zeile Gesetz“
Aufgrund eines veralteten und für die Corona-Pandemie ungeeigneten Epidemiegesetzes brauchte es eine schnelle legislative Alternative, rechtfertigt die Regierung ihr Vorgehen. Dennoch sei in den meisten Fällen der Schulterschluss gelungen.
Aufgrund eines veralteten und für die Corona-Pandemie ungeeigneten Epidemiegesetzes brauchte es eine schnelle legislative Alternative, rechtfertigt die Regierung ihr Vorgehen. Dennoch sei in den meisten Fällen der Schulterschluss gelungen.
Die grüne Klubobfrau Sigi Maurer gibt der Opposition recht, dass die Akutphase der Krise eine schwierige Situation für den Parlamentarismus war. Aber seit dem Sommer sieht sie wieder normale Begutachtungsverfahren und die übliche Ausschussarbeit eingeführt. Die Oppositionskritik über die Schieflage zwischen Regierung und Parlament kontert sie damit, dass die grünen Minister versuchten, die Parlamentsfraktionen gut einzubinden, und Anfragebeantwortungen auf grüner Seite deutlich ausführlicher ausfielen.
DIE FURCHE: Frau Klubobfrau, wie in allen akuten Krisen war/ist auch in der Corona-Pandemie als Erstes die Regierung, die Exekutive gefordert. Welche Rolle soll und muss dabei jedoch Ihrer Überzeugung nach die Legislative, das Parlament spielen?
Sigi Maurer: Wir standen vor der Herausforderung, dass das Epidemiegesetz, das für eine solche Situation vorgesehen ist, hoffnungslos veraltet und in mehreren Punkten für die Corona- Pandemie ungeeignet war. Wir haben daher eine schnelle Alternative gebraucht, diese hat auch das Parlament beschlossen. Für den Parlamentarismus war das eine schwierige Situation, da aufgrund der Dringlichkeit übliche Prozesse der Begutachtung und ausführlichen Diskussion nicht eingehalten werden konnten. Es ist dennoch in den meisten Fällen der Schulterschluss gelungen. Abgesehen von der Gesetzgebung hat das Parlament natürlich auch die Aufgabe, die Maßnahmender Regierung zu kontrollieren.
DIE FURCHE: Die Opposition ortet eine extreme Schieflage im aktuellen Verhältnis zwischen Regierung und Parlament, kritisiert regelmäßig die „Aushebelung eines ordnungsgemäßen Gesetzesprozesses“ und sieht das Parlament zum „Statisten degradiert“. Was antworten Sie darauf?
Maurer: In der Akutphase war diese Kritik berechtigt, aber seit Sommer gibt es wieder normale Begutachtungsverfahren, keine Sammelgesetze mehr und die übliche Behandlung in den Ausschüssen.
DIE FURCHE: Abseits des Corona-Krisenmodus: Als langjährige Abgeordnete kennen Sie mittlerweile die parlamentarische Arbeit aus Sicht der Opposition genauso wie als Vertreterin einer Regierungspartei – was erleben Sie dabei als den größten Unterschied?
Maurer: Als Oppositionsabgeordnete stellt man meist Entschließungsanträge, die die Regierung auffordern, etwas Bestimmtes zu tun. Dabei muss man sich nicht überlegen, ob oder wie die Forderung überhaupt umsetzbar wäre. Als Regierungspartei trägt man Verantwortung für jede Zeile Gesetzestext.
DIE FURCHE: Im grünen Wahlprogramm vom Vorjahr findet sich unter der Überschrift „Das Parlament stärken“ folgendes Vorhaben: „Das unter der türkis-blauen Regierung teils völlig übergangene Parlament soll wieder gestärkt und als Zentrum der Demokratie und gesetzgebende Körperschaft ernst genommen werden.“ – Hat Corona dieses Vorhaben in die Warteschleife verschoben, oder sehen Sie dieses grüne Anliegen bereits irgendwo umgesetzt?
Maurer: Die grünen Ministerinnen und Minister sind sehr bemüht, die Parlamentsfraktionen gut einzubinden. Es gibt regelmäßige Gespräche zum Beispiel zwischen den Gesundheits-Sprecherinnen/-Sprechern und Minister Anschober. Anfragebeantwortungen fallen zumindest auf grüner Seite deutlich ausführlicher aus, und wir versuchen auch in den Ausschüssen weniger zu vertagen und mehr Abänderungs- oder sogenannte §27-Anträge einzubringen, mit denen wir auf die Anliegen der Opposition eingehen.
DIE FURCHE: Die bauliche Sanierung des Parlaments schreitet zügig voran – welches politische Sanierungsprojekt für eine Belebung und Stärkung des Parlamentarismus in Österreich sollte noch in dieser Gesetzgebungsperiode unbedingt umgesetzt werden?
Maurer: Aus unserer Sicht wäre die Aufwertung des Rechts- und Legislativdienstes im Parlament ein wichtiges Projekt. Es gibt zwar den Budgetdienst, der die Abgeordneten bei Budgetfragen unterstützt, aber keine Möglichkeit, zum Beispiel Initiativanträge rechtlich überprüfen zu lassen.
DIE FURCHE: Sie kennen das „alte“ Parlament als Arbeitsplatz – worauf freuen Sie sich beim „neuen“ Parlament am meisten?
Maurer: Dass der Plenarsaal in Zukunft Tageslicht haben wird.