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Vorarlberger Stickereiindustrie

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B r e g e n z, Ende Februar In der Vorarlberger Landeshauptstadt fand kürzlich eine eindrucksvolle Schau der heimischen Stickerei- und Spitzenindustrie statt.

Schon Maria Theresia mußte bei den Wirtschaftsverhandlungen mit der Schweiz die Vorarlberger Stickereiindustrie wesentlich berücksichtigen. Seither ist dieser Industriezweig bei uns bodenständig geworden, wie sonst nirgends in Österreich. Seit 200 Jahren wird für den Export gearbeitet, weshalb die Stickerei eine gute Freundin der Nationalbank ist, da sie viele Devisen einbringt. So hat Vorarlberg in den Jahren 1920 bis 1930 jährlich um durchschnittlich 68 Millionen Schilling exportiert, das sind fünf Prozent des österreichischen Exportwertes, ein sehr bedeutender Prozentsatz für das so kleine Vorarlberg. Die österreichische Handelsstatistik zählt zirka 50 Staaten auf, die bei uns einkauften. Die Schwierigkeiten der Sollseite ergeben sich vornehmlich daraus, daß der Absatz fast zur Gänze außerhalb des eigenen Staates liegt und sich daher alle währungs- und zollpolitischen Schwankungen entsprechend ungünstig auszuwirken vermögen. Auch politische und soziale Unruhen sowie die Läge des Rohstoff- und Modemarktes bleiben nicht ohne Reaktion. Ein Krieg stellt Erzeugung und Export zufolge Abschnürung der Rohstoffzufuhr überhaupt ein. Jetzt stehen wir vor dem Neuaufbau des Wertvollen Industriezweiges, und es mehren sich die ausländischen Anfragen bezüglich neuer Lieferungsmöglichkeifen und Ausstellungsabsichten. Als wertvolle Post der Habenseite hat besonders Gewicht, daß die Stickerei- und Spitzenindustrie in hohem Maße arbeitsschaffend und rohstoffsparend ist. Eine Rationalisierung ist hier unmöglich, zumal diese Modeindustrie besondere Pflege und Wartung beansprucht. Der Mangel an Rohstoff zwingt vielfach zu Findigkeit und Umstellung. Es gibt Artikel, in denen 75 Prozent reine Lohnquote steckt.

In der Ausstellung wurde Großmaschinen-und yiandmaschinenstickerei, Kettenstich-und Handstickerei zur Schau gestellt. Die Musterschau zeigte Spezialarbeiten, die einen gediegenen Reichtum an solider Arbeit und wertvollem Ideengehalt bezeugen. Vom kleinsten Taschentuch bis zum feinsten Großvorhang waren unter anderem zu sehen: Textile, Zimmerzier (Tischdecken, kleine und große Vorhänge, Deckchen aller Art), Konfektion für Damen und Kinder, bestickte Kleiderstoffe, Tüllspitzenstoffe, gefällige Luftstickereien, Relief-Steppstickerei (ganze Ausstattungen für Kinder vom Schuh bis zum Häubchen), ferner kunstvolle Trachtenstickerei, vielbegehrte Schals, von denen seinerzeit hunderttausende nach Tunis und Marokko exportiert wurden.

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