Der unbeugsame Anwalt der Entrechteten

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Es war ein durch und durch politischer Vortrag, den der Redner im Priesterkollar da anno 1988 im vollbesetzten großen Hörsaal der Uni von sich gab. Er sprach von den Wenigen im Norden, die die Armen in seinem Land ausbeuten würden, von Zinsen für die Schulden des Landes, die von einem Tag auf den anderen von 2,5 auf 21 Prozent gestiegen wären. Und -fast 30 Jahre vor Ökologie-Enzyklika des gegenwärtigen Papstes "Laudato si" - über die unvorstellbare Waldzerstörung in Amazonien. Die Weltmeinung müsse, so der Vortragende, dafür stehen, "dass jeder Baum ein heiliger Baum ist".- Noch heute beeindruckt die Erinnerung den damaligen Zuhörer: Paulo Evaristo Arns, von seinen konservativen Gegnern als "roter Kardinal" verunglimpft, war ein Mann leiser, aber glasklarer Worte. Als Erzbischof der Millionenmetropole São Paulo war er ein kompromissloser Anwalt der Menschenrechte und der Verfolgten. In den Jahren der Militärdiktatur in Brasilien (1964-85) war er eine Anlaufstelle für Informationen über Folter, Verschwundene und staatliche Morde -und er versteckte viele vor den Schergen des Regimes. Anfang der 1980er-Jahre sammelte und veröffentlichte er im Projekt "Brasil: Nunca Mais" ( Brasilien nie wieder) Dokumente über die Verbrechen des Militärs. Aber auch nach 1985 blieb Arns aktiv gegen Armut, Ungerechtigkeit, Arbeitssklaverei und Korruption. Der 1921 als Sohn deutscher Einwanderer Geborene trat mit 18 bei den Franziskanern ein. Nach Studien u. a. an der Sorbonne lehrte er an der Universität Petropolis Theologie, sein berühmtester Schüler ist der Befreiungstheologe Leonardo Boff. 1966 wurde er Weihbischof, 1970 Erzbischof von São Paulo.- Der streitbare Kirchenmann nahm sich auch innerkirchlich kein Blatt vor dem Mund -etwa indem er schon früh die Abkehr vom Pflichtzölibat der Priester forderte. Seine Unterstützung der Basisgemeinden und der Befreiungstheologie, die man als Weiterentwicklung seiner eigenen Theologie sehen kann, brachten ihn im Pontifikat Johannes Pauls II. in Verruf. Als Kardinal war ihm wenig anzuhaben, dafür nahm sich die Glaubenskongregation unter Joseph Ratzinger seinen Schüler Boff vor. Arns begleitetet diesen zu den Anhörungen in Rom, konnte aber die Maßregelung nicht verhindern. Mit 76 Jahren - für einen Kardinal unüblich früh - nahm dann Johannes Paul II. das Rücktrittsgesuch von Arns an. Doch auch im Ruhestand schrieb und sprach er gegen die Mächtigen sowie Vetternwirtschaft und Korruption an. Am 14. Dezember ist Kardinal Arns in São Paulo verstorben.

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