"Kein Hitlergruß, selbst wenn sie mich lynchen"

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Hildegard Goss-Mayr und ihr Mann Jean Goss: ein ungleiches Paar für ein "unmögliches Leben".

Hildegard Goss-Mayr * 1930

Pazifistin

In einem offenen Wagen rollt Hitler 1942 über die Wiener Ringstraße. Tausende Menschen halten ihre Arme zum "deutschen Gruß" erhoben, nur ein zwölfjähriges Mädchen verweigert: "Du musst widerstehen, du darfst dich nicht erfassen lassen", redet sie sich selber Mut zu, "du hebst die Hand nicht, selbst wenn sie dich lynchen." So weit kommt es nicht, niemand bemerkt das widerständige Mädchen, aber für Hildegard Goss-Mayr war dieses Erlebnis "die erste bewusste Begegnung mit der dämonischen Macht des Bösen, die durch Menschen wirkt und Strukturen des Verderbens schafft." Dieses Wissen um die Abgründe des Bösen habe ihr geholfen, sagt Goss-Mayr, "zu einer Friedensarbeit zu finden, die über Methoden und Strategien hinaus auf die Kraft Gottes im Menschen und in der Geschichte baut".

Nach Jahren der Depression und Sinnkrise angesichts von Krieg und Hass in der Welt erkennt sie 23-jährig, "dass es für mein Leben keine andere Antwort gibt als die, es ganz in den Dienst des Friedens zu stellen". Der Kalte Krieg tobt, und Goss-Mayr erblickt ihre erste Aufgabe im Internationalen Versöhnungsbund in der "Entfeindungsarbeit" zwischen Ost und West. In dieser Zeit lernt sie den französischen Pazifisten Jean Goss kennen und lieben. Ein ungleiches Paar findet zusammen, ein "unmögliches Leben" zu zweit beginnt.

Den Heißsporn Jean Goss kann weder die Schweizer Garde im Vatikan zurückhalten, wenn er mit seiner Frau während des Zweiten Vatikanischen Konzils Friedenslobbyarbeit betreibt, noch lässt sich das Paar von Sowjetpolizisten das Verteilen von Flugblättern am Roten Platz verbieten. In Südafrika agitieren Goss & Mayr gegen die Apartheid, während langer Reisen durch Lateinamerika propagieren sie gegen viel Widerstand ihr Credo, dass "nur gewaltfreies Engagement zum wahren Frieden führt". Ihre Friedensschulungen auf den Philippinen rufen die "People-Power"-Bewegung ins Leben, die Mitte der 1980er Jahre Diktator Marcos aus dem Amt treibt. Und die friedliche Revolution auf Madagaskar Anfang der 1990er Jahre geht ebenfalls auf das Konto von Goss-Mayr.

Gemeinsam mit 999 anderen Frauen wurde Hildegard Goss-Mayr heuer für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und für sie gilt nach wie vor: "Wer einmal erkannt hat, dass der Weg des gewaltfreien Widerstandes und der sich hinschenkenden Liebe der Weg zum Heil ist, der kann nicht anders, ohne sich selbst zu verraten, als unentwegt dafür zu kämpfen."

Weitere Info unter :

www.versoehnungsbund.at

www.1000peacewomen.org

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