„Firmeza permanente – beharrliche Festigkeit“

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So nah am Friedensnobelpreis wie sie war niemand im Nachkriegsösterreich. 1991 wurde ihr der Niwano-Friedenspreis überreicht, das asiatische Pendant zum Nobelpreis. Doch in ihrer Heimat ist Hildegard Goss-Mayr, die dieser Tage ihren 80. Geburtstag beging, nur der kleinen Schar unentwegter Friedensaktivisten ein Begriff. Und wer sie nicht kennt, würde in der fast unscheinbaren, zierlichen Person nie das Herz und Hirn zahlreicher Welt-Initiativen für Gewaltlosigkeit und Frieden vermuten.

„Firmeza permanente – beharrliche Festigkeit“ so hat man ihren und ihres Mannes Jean gewaltfreien Widerstand im Lateinamerika der 70er Jahre genannt. Hildegard Goss-Mayr kann davon erzählen, wie sie dort – in der Militärdiktatur Brasilien inhaftiert – einem Folterpolizisten gegenübersitzt, ihm die Bilder ihrer schulpflichtigen Kinder in Österreich zeigt – und mit dem Repräsentanten des „Feindes“ so ins Gespräch kommt, dass sie der Folter entgeht. Jean und Hildegard sind die Masterminds hinter dem „Servicio Paz y Justicia“, einer 1974 gegründeten kontinentalen gewaltfreien Widerstandsorganisation. Ihr argentinischer Mitstreiter Adolfo Peréz Esquivel wird mit ihr 1977 verhaftet und gefoltert – durch eine weltweite Kampagne kommt er 1978 frei und erhält 1980 den Friedensnobelpreis.

Wenige Jahre später ist das Ehepaar Goss auf den Philippinen, ihre Friedensschulungen helfen der „People Power“-Bewegung auf die Beine, welche den Sturz des Diktators Ferdinand Marcos erreichte. Die „Rosenkranzrevolution“ von 1986 ist ihr größter „Erfolg“. 1991, nach dem Tod von Jean Goss, macht Hildegard in Madagaskar weiter – bis 1993 hilft sie im kirchlich unterstützten friedlichen Widerstand gegen das Regime Ratsiraka mit. Neben den Erfolgen erlebt sie auch die Mühsal des „Kampfes“: Die Ermordung von Erzbischof Romero 1980 in San Salvador trifft sie schwer, auch ihr Einsatz in Burundi/Ruanda vor dem Genozid oder später im Kongo bleiben im Großen unbelohnt. Dennoch hat sich Hildegard Goss-Mayr nie entmutigen lassen.

Das Friedensengagement war der 1930 in Wien geborenen Hildegard Mayr schon in die Wiege gelegt. Ihr Vater Kaspar Mayr gehörte zu den führenden Persönlichkeiten des Internationalen Versöhnungsbundes IVB, der ersten weltweiten ökumenischen Friedensbewegung. 1953 promovierte sie in Wien sub auspiciis und wurde Mitarbeiterin des IVB, im gleichen Jahr heiratete sie den französischen Widerstandskämpfer Jean Goss.

In der Bundesrepublik Deutschland begann damals die Debatte über die Wiederbewaffnung, Jean und Hildegard engagierten sich dagegen, ebenso im Wien des Kalten Kriegs, ,wo sie bei den weitgehend boykottierten (kommunistischen) Weltjugendfestspielen 1959 das Gespräch mit den zahlreichen linientreuen Jugendlichen aus dem Osten suchten. Sie waren nicht nur damals der Kollaboration mit den Kommunisten verdächtig.

Großes erreichten Jean und Hildegard Goss auf dem II. Vatikanum in Rom (1962–65): Dort gelang es ihnen, den wortgewaltigen Führer der Konservativen, Kardinal Ottaviani, für eine moralische Verurteilung des Kriegs zu gewinnen, und sie erreichten, dass das Anliegen der Gewaltfreiheit ins Konzilsdokument „Gaudium et Spes“ Eingang fand – nicht zuletzt durch die Unterstützung der Kardinäle Bea und König. Letzterer schätzte Hildegard Goss-Mayrs unbedingte Spiritualität der Gewaltlosigkeit zeitlebens. Auf dem Konzil fand auch die Begegnung mit den Bischöfen Lateinamerikas statt, sodass der Weg des christlich motivierten, politischen, aber gewaltfreien Kampfes sich wie eine Fügung „ergab“.

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