6853596-1977_05_11.jpg
Digital In Arbeit

Befreiung ohne Gewalt

Werbung
Werbung
Werbung

Die Mächtigen unserer Welt in Ost und West bauen, trotz immer neuer Abrüstungsvorschläge, auch weiterhin auf Abschreckung des Gegners durch ständig wachsende Aufrüstung. Ein makabres Konzept, das nicht nur die Existenz der Menschheit aufs Spiel setzt, sondern auch die Mittel zur Beseitigung von Hunger und Ausbeutung der armen Länder unserer Erde verschlingt.

Das wird heute von den Opfern der Situation nicht mehr einfach hingenommen. Es gibt aber nicht nur ebenfalls auf Gewalt basierende Befreiungsbewegungen, sondern auch das Mittel der aktiven Gewaltlosigkeit, um gesellschaftliche Veränderungen durchzusetzen; in dem Versuch, deren Gegner, die ihre Privüegien bewahren wollen, durch friedliche Aktionen zu einer Gesinnungsänderung zu bewegen und damit aus Zwängen zu befreien, denen sie, ebenso wie ihre Opfer, unterworfen sind.

Das klingt weltfremd angesichts der heute herrschenden Verhältnisse. Aber es gibt Ansätze und geglückte Beispiele gewaltloser Rebellionen, die viel zu wenig bekannt sind. Uber die Spiritualität und Praxis gewaltloser Befreiung beričhtet Hildegard. Goss- Mayr in ihrem Buch „Der Mensch vor dem Unrecht”. Die Autorin kommt aus der katholischen Friedensbewegung, deren Mitbegründer ihr Vater Kaspar Mayr war. Sie selbst hat, gemeinsam mit ihrem Mann Jean Goss, im Internationalen Versöhnungsbund an Brennpunkten sozialer und politischer Konflikte intensiv an deren friedlicher Lösung mitgearbeitet, in Südamerika und Afrika dort besonders in den ehemaligen portugiesischen Kolonien.

Ausgangspunkt ihrer Tätigkeit ist für Hüdegard Goss-Mayr die Botschaft Christi, die seine Nachfolger zum Engagement gegen das Unrecht in unserer Welt verpflichtet und, fern jeder Ideologie, Lösungsmöglichkeiten auch unserer Existenzprobleme auf zeigt.

Nach einem kurzen Blick auf „Friedenshoffen und Friedenswirken bei vor- und außerbiblischen Völkern” umreißt die Autorin den jüdischen Schalom-Begriff, der zunächst vorwiegend auf das eigene Volk beschränkt blieb. Aber schon die großen jüdischen Propheten predigten Gewaltlosigkeit als Gebot Gottes in universellem Sinn, die gesamte Menschheit betreffend. Sie sind Vorläufer Christi, des Künders und Vollenders gewalüoser Befreiung des Menschen durch sein neues Gesetz der Liebe und Brüderlichkeit.

Wie kann diese christliche Friedensbotschaft in unserer, durch Gewalt und Unrecht deformierten Welt realisiert werden? Das ist Grundthema des vorliegenden Buches. Die Autorin illustriert es an verschiedenen Beispielen gewaltfreier Aktionen gegen bestehendes Unrecht. Am Kampf der Chicanos (lateinamerikanischer Landarbeiter) um ihre Grundrechte unter der Führung von Cesar Chavez in Kalifornien; am Streik von Industriearbeitern in Säo Paulo, Brasilien, gegen die Ausbeutung mächtiger Unternehmer, und am Widerstand französischer Bauern des Larzac gegen die Enteignung ihres Bodens zwecks Erweiterung eines Truppenübungsplatzes.

In allen drei Fällen wird die Strategie gewaltlosen Widerstands entwik- kelt, gleichzeitig aber auch transparent, daß Gewaltlosigkeit nur dann glaubhaft und wirksam wird, wenn hinter der Methode und Strategie eine Lebenshaltung steht, die den Gegner weder besiegen oder gar vernichten, sondern durch den friedlichen Einsatz der Betroffenen gegen bestehendes Unrecht Druck auf das Gewissen der Mächtigen ausüben wilL

Für ein Umdenken also im Geiste des Evangeliums, aus der Kraft der Gerechtigkeit und Liebe, als Voraussetzung notwendiger gesellschaftlicher und politischer Veränderungen wird hier plädiert. Utopie für viele, aber auch eine Alternative, die heute auch von anders fundierten Kreisen in Betracht gezogen wird. Christen bringt das vorliegende Buch konkrete Anregungen für Einsatzmöglichkeiten und Verpflichtungen, an einer menschlicheren Zukunft mitzuarbeiten. Eine gute, eine notwendige Botschaft.

DER MENSCH VOR DEM UNRECHT. Spiritualität und Praxis gewaltloser Befreiung. Von Hildegard Goss-Mayr. Heft 3 der Reihe „Soziale Brennpunkte”. Hsg. von derKath. Sozialakademie Österreichs. Europaverlag, Wien, 140 Seiten, öS 98.-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung