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Nicht durch Haß und Vernichtung

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Was das Christsein uns verbietet, ist, Lösungen für diese Situationen auf dem Wege des Hasses, durch die Ermordung schutzloser Menschen oder durch terroristische Methoden zu suchen. Laßt mich noch mehr sagen: ein Christ versteht und erkennt den ehrenvollen und gerechten Kampf für die Gerechtigkeit an; der Christ lehnt es aber entschieden ab, Haß zu schüren, Gewalttätigkeiten zu fördern oder zu provozieren oder zu kämpfen „nur um des Kampfes willen“. Das Gebot „Du sollst nicht töten“ muß für das Gewissen der Menschheit verbindlich bleiben, wenn sich die furchtbare Tragödie und das Schicksal Kains nicht wiederholen soll.

Und weiter:

Außerdem kann der Friede nicht durch Gewalt herbeigeführt werden; Friede kann niemals in einem Klima des Terrors, der Einschüchterung und des Todes gedeihen. Jesus selbst sagt: „Alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.“ (Mt 26,52.) Dies ist Gotteswort; es gebietet dieser Generation gewalttätiger Menschen, von Haß und Gewalt abzulassen und in sich zu gehen.

Ich vereine heute meine Stimme mit der Stimme Pauls VI. und . .. rufe euch ... im Bewußtsein meiner Sendung zu, daß Gewalttätigkeit ein Übel ist, daß Gewaltanwendung als Lösung von Problemen unannehmbar und des Menschen unwürdig ist.

Gewalt ist eine Lüge, denn sie verstößt gegen die Wahrheit unseres Glaubens, gegen die 'Wahrheit unserer Menschlichkeit. Gewalt zerstört, was sie zu verteidigen vorgibt: die Würde, das Leben, die Freiheit der Menschen. Gewalt ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, denn sie zerstört die eigentliche Wirkstätte der Gesellschaft!

Und weiter:

Ich möchte nun zu allen Männern und Frauen sprechen, die sich an Gewaltakten beteiligen. Ich appelliere an euch mit leidenschaftlicher und inständiger Sprache. Auf den Knien flehe ich euch an: Kehrt um vom Weg der Gewalt und kehrt zurück zu den Wegen des Friedens! Ihr mögt den Anspruch erheben, die Gerechtigkeit zu suchen. Auch ich glaube an die Gerechtigkeit und suche Gerechtigkeit. Gewalt aber verzögert nur den Tag der Gerechtigkeit. Gewalt zerstört das Werk der Gerechtigkeit.

(Aus der Ansprache in Drogheda anläßlich der Irland-Reise am 29. September 1979.)

Denn wenn auch zu Recht die Beunruhigung über das Anwachsen der Ge walt im gesellschaftlichen, nationalen und internationalen Leben und die Bedrohungen des Friedens immer klarere Gestalt annimmt, so ist doch die öffentliche Meinung oft weniger empfindsam für all jene Formen der Unwahrheit, die zur Ursache der Gewalt gehören und ihr einen fruchtbaren Boden verschaffen.

Die Gewalt schwimmt in der Lüge und hat die Lüge nötig, um zu versuchen, sich durch Rechtfertigungen, die völlig außerhalb ihrer Natur liegen und sich sogar oft widersprechen, ein gewisses Ansehen vor der Weltmeinung zu verschaffen.

Und weiter:

Die Wahrheit erneuern, das bedeutet zunächst, die Gewaltakte in allen ihren Formen bei ihrem wahren Namen zu nennen. Man muß den Mord beim Namen nennen: Mord bleibt Mord; alle politischen oder ideologischen Rechtfertigungen ändern daran nichts, sondern verlieren dadurch im Gegenteil ihr eigenes Ansehen. Beim Namen genannt werden müssen ferner die Massaker an Männern und Frauen, gleich welcher Volkszugehörigkeit, welchen Alters oder welcher Stellung. Auch die Tortur muß man bei ihrem Namen nennen sowie - mit den jeweiligen Bezeichnungen - alle Formen von Unterdrückung und Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, des Menschen durch den Staat, eines Volkes durch ein anderes Volk.

(Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Jänner 1980.)

Das Gemeinwohl der Gesellschaft, fortan der neue Name für Gerechtigkeit, kann nicht durch Gewalttätigkeit erreicht werden, denn diese zerstört, was sie schaffen will, ob sie nun die Privilegien einiger bewahren oder ob sie die notwendigen Veränderungen durchsetzen will. Die für eine gerechte Sozialordnung erforderlichen Veränderungen müssen auf dem Weg friedlicher Reformen durch ein beständiges Vorgehen erreicht werden - manchmal stufenweise und allmählich, aber immer wirksam.

Und weiter:

Nichts läßt sich aufbauen durch Haß und Vernichtung anderer. Den Klassenkampf ablehnen heißt aber auch, sich entscheiden für den edlen Kampf um soziale Gerechtigkeit. Die verschiedenen Machtzentren und die Vertreter der Gesellschaft müssen imstande sein, sich zusammenzuschließen, die Bemühungen untereinander zu koordinieren und Übereinstimmung über klare und wirk same Programme zu erlangen. Darin besteht die christliche Formel zum Aufbau einer gerechten Gesellschaft.

(Aus der Ansprache vor den Arbeitern von Sao Paulo beim Besuch von Brasilien im Juli 1980.)

Die Bedrohung kommt jedoch nicht nur von dem, was die Menschen durch militärische Technik einander antun können; sie erwächst auch aus vielen anderen Folgen einer materialistischen Zivilisation, welche - trotz „humanistischer“ Erklärungen - dem Vorrang der Sachen über die Person huldigt. Der zeitgenössische Mensch fürchtet also, daß durch die von dieser Zivilisation erfundenen Mittel die Einzelpersonen und auch die verschiedenen Lebensbereiche, die Gemeinschaften, die Gesellschaften und die Nationen Opfer der Willkür anderer Einzelpersonen, Le bensbereiche und Gesellschaften werden könnten.

Die Geschichte unseres Jahrhunderts bietet dafür Beispiele zur Genüge. Trotz aller Erklärungen über die Rechte des Menschen in seiner Ganzheit, das heißt in seiner leiblichen und geistigen Existenz, können wir nicht sagen, daß diese Beispiele nur der Vergangenheit angehören.

Und weiter:

Nicht umsonst beanstandete Jesus bei seinen Zuhörern, die den Lehren des Alten Testaments treu waren, die Haltung, die in dem Spruch zum Ausdruck kommt: „Auge für Auge, und Zahn für Zahn.“ Das war die damalige Form, die Gerechtigkeit zu verfälschen, und die heutigen haben sie zum Modell.

(Aus der Enzyklika „Dives in misericordia“ „über das göttliche Erbarmen“ vom 30. November 1980.)

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