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Dialog der Friedfertigen

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Der Friede ist durchaus imstande, Streit zu erzeugen. Um einen solchen Streit zu einem fruchtbaren im Sinne des Friedens zu gestalten, sollen im folgenden einige friedensrelevante Thesen diskutiert und entwickelt werden.

1. These: Der Krieg ist ein furchtbares Übel.

So selbstverständlich diese These heutzutage auch klingen mag, sie stellte nicht immer eine solche Selbstverständlichkeit dar. Erinnert sei in diesem Zusammenhang z. B. an Nietzsche mit seiner Aussage: „Ihr sollt den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen... Der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt. Der Krieg und der Mut haben mehr große Dinge getan als die Nächstenliebe ..."

Heute ist die Tatsache des Krieges als Übel viel allgemeiner im Bewußtsein der Menschen verankert, als das in früheren Zeiten der Fall war. Dazu haben vor allem drei Faktoren wesentlich beigetragen: einmal das Erlebnis der beiden Weltkriege mit den Millionen von Toten auf den Schlachtfeldern; sodann die Fürchterlichkeit der mordernen Massenvernichtungswaffen; und schließlich die Tatsache, daß der Wert und die Würde menschlichen Lebens allgemein und tiefer in den Rechtsdokumenten der Völkergemeinschaft und vor allem im Bewußtsein der Menschen verankert ist

Freilich sind auch heute mitunter noch Meinungen anzutreffen, die einer gewissen Bagatellisierung dieses so furchtbaren Übels zumindest Vorschub leisten könnten. Gemeint sind damit Aussprüche wie: „Wir brauchen die Rüstung zur Sicherung der Arbeitsplätze." Oder: „Die Jugend soll zum Militär, damit sie Ordnung und Disziplin lernt"...

Auf die Frage nach den Kriterien einer sittlichen erlaubten Verteidigung läßt sich aus der Sicht christlicher Ethik dazu folgendes festhalten:

1. Dem Bösen und der Ausbreitung des Bösen ist Widerstand zu leisten. Bei diesem Widerstand verdienen gewaltlose Formen eindeutig den Vorzug, so daß etwaige gewaltsame Formen der Verteidigung als ultima ratio zum Einsatz kommen. Ob überhaupt Gewaltanwendung zur Verteidigung als erlaubt angesehen wird oder nicht, hängt offenbar damit auch zusammen, ob man deonto-logisch oder teleologisch argumentiert und — damit zusammenhängend, aber nicht ident — ob man gesinnungsethisch oder verantwortungsethisch vorgeht.

Wer etwa wie die radikalen Pazifisten der Meinung ist, daß Gewaltanwendung unabhängig von den Folgen in sich selbst schlecht und daher verboten ist, der überläßt den Gang und Ausgang der Dinge einem Höheren, dessen Prinzip er zu kennen glaubt, das er auf alle Fälle für richtig hält und dem er in seiner Gesinnung treu bleiben wilL Wer aber teleologisch der Meinung ist, daß sich die sittliche Qualität einer Handlung ausschließlich nach den Folgen bemißt und daher glaubt, in einer möglichst umfassenden Wertbzw. Ubelbilanz jene Strategie wählen zu müssen, welche alles in allem ein Maximum an Werten und ein Minimum an Übeln bzw. ein relatives Optimum beinhaltet, der wird etwa Gewaltanwendung in Kauf nehmen zur Verhinderung bzw. zur Uberwindung noch größerer Übel.

2. These: Der Friede ist der Zentralwert der Menschheit von heute und morgen.

Weil der Friede, verstanden als Abwesenheit von Krieg und organisierter Gewaltanwendung sowie Vorhandensein grundlegender Werte wie Gerechtigkeit und Freiheit eine wesentliche Voraussetzung für die Realisierung vieler Werte und die Basis und Er-möglichungsbedingung der meisten Menschenrechte darstellt, kann man in einem weiteren Sinn des Wortes vom fundamentalen Recht des Menschen, der Gruppen, der Staaten, ja der ganzen Menscheit auf Frieden sprechen, diesem so verstandenen Recht auf Frieden auf der einen entspricht eine fundamentale Pflicht zum Frieden auf der anderen Seite...

3. These: Der Frieden ist nur in einer umfassenden Strategie zu verwirklichen, wobei Nah- und Fernziele zu beachten sind.

Da das Gute in dieser Welt meist ein relativ Gutes ist und der nach Verwirklichung des Guten strebende Mensch sehr oft in die unausweichliche Situation gestellt ist, zwischen zwei Übeln wählen zu müssen, wird sich auch in der Frage des Friedens die Wahl bzw. das Inkaufnehmen des geringeren Übels als Wahl des relativ Guten bzw. Besseren erweisen.

Dabei kann es sehr leicht vorkommen, daß man bei gleicher Gewissenhaftigkeit und bei gleicher Friedensliebe infolge der Komplexität des Friedensproblems zu unterschiedlichen Ergebnissen im Konkreten gelangt— ein Phänomen, auf das Art. 43 von „Gaudium et Spes" aufmerksam macht. Soll es nun nicht zum „Krieg" der Friedens-„Kämp-fer" bzw. zur Anarchie der Friedensbemühungen kommen, muß ein Dialog der Friedfertigen stattfinden, um sich auf einen gemeinsamen Strategierahmen zu einigen.

Intoleranz und Diskriminierung Andersdenkender in Sachen des Friedens ist sicherlich nicht friedensfördernd.

Stark gekürzter Auszug aus einem Referat, das der Vorstand des Instituts für Ethik und Sozialwissenschaft und Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Graz dieser Tage vor dem Wiener CV hielt

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