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Gewaltlose Antwort auf Terror

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Wenn der Papst Mexiko, oder wie derzeit Brasilien besucht, dann sehen wir am Fernsehschirm, .wie schon gewohnt, jubelnde Menschenmassen. Was aber wissen wir tatsächlich von ihren Problemen? Etwa, daß es dort faktisch eine geteilte Kirche gibt, eine der Reichen und eine der Armen?

Wer weiß schon, daß dort Millionen von Christen und Menschen zwar in einer „katholischen” Umwelt leben, aber noch nie von Jesus gehört haben, ein Dasein fristen, das wir in Europa nicht einmal unserem Vieh zumuten würden!

Der ermordete Bischof Romero von San Salvador sagte am 2. Februar 1980: „Die Kirche hat sich nun den Armen zugewandt, ja, sie macht sie zu den privilegierten Empfängern ihrer Sendung.”

Die Kirche Lateinamerikas ist nun aufgebrochen, ihrem Kontinent ein neues Gesicht zu geben. Kürzlich sprach Adolfo Perez Esquivel (Arg.) in Wien vor dem „Internationalen Versöhnungsbund” über die „Bewegung für Befreiung und Gewaltlosigkeit in Lateinamerika.” Perez ist der Koordinator des gewaltfreien Dienstes für Frieden und Gerechtigkeit in Lateinamerika (Servicio Paz y Justicia en America Latina).

„Es ist notwendig” sagte Perez, „gemeinsam mit dem Volk den Weg der Befreiung aus der Sicht des Glaubens zu gehen. Dabei ist es ganz klar, daß eine karitative Haltung, auch wenn sie manchmal nötig ist, die Situation nicht verändert.”

Es gibt prophetische Menschen, die diesen Weg anzeigten, wie Dom Helder Camara, Erzbischof von Recife, Dom Baptista Fragoso, Bischof von Crateüs, beide von den ärmsten Regionen Brasiliens, und viele andere.

Aus der Notwendigkeit, die Situation tatsächlich zu ändern, ist der „Gewaltfreie Dienst” entstanden. Dieser Dienst will die einzelnen kleinen, schon bestehenden Gruppen aus ihrer Isoliertheit herausholen, gegenseitiges Kennenlernen ermöglichen, Informationen austauschen, und angesichts einer wachsenden Repression und immer heftiger werdender Konflikte eine Solidarität organisieren.

Die Bewegung arbeitet nur mit gewaltfreien Mitteln. Sie fördert die Zusammenarbeit und hält Schulung im gewaltfreien Kampf gegen bestehende Ungerechtigkeit, insbesondere, wenn es Basisgruppen und Gemeinden betrifft. Im letzten Jahrzehnt hat der gesamte Kontinent eine ungeheure Eskalation der Gewalt erlebt. Guerillagruppen und Militärregime beanspruchen die politische Gewalt für sich. In der Folge kam es zu einer unvorstellbaren Anzahl von Morden, Attentaten, Verfolgungen, Foltern und Repressionen. Die Supermächte gaben vor, die Demokratie zu stützen, und versorgten die Militärregime mit Waffen, stärkten ihnen politisch den Rücken.

Perez Esquivel meinte, es sei tatsächlich so, wie Martin Luther King einmal sagte: „Es geht nicht um die Entscheidung zwischen Gewalttätigkeit und Gewaltlosigkeit, sondern um Gewaltlosigkeit oder Vernichtung.”

Die Militärregime in Lateinamerika rechtfertigen fast durchwegs ihre repressive Handlungsweise im Hinblick auf die Verteidigung der „christlicn-abendländischen Zivilisation”.

„Die gewaltfreie Bewegung aber wird vom Evangelium getragen. Der geknechtete Mensch soll sich seiner bewußt werden, sich selbst als Person entdecken und seinen Bruder als Person ansehen.”

Es gibt heute bereits viele Beispiele für diesen gewaltlosen Kampf, etwa in Paraiba, Brasilien, wo Bauern von dem Boden, den sie bebauten, von ihrem

Grundherren, der in der Stadt lebt, vertrieben werden sollten.

Die Bauern organisierten Widerstand, vier wurden ins Gefängnis geworfen. Daraufhin beschlossen die anderen 96 Bauern, ebenfalls mit ihnen ins Gefängnis zu gehen. Durch diese Solidarität und Einigkeit konnte der erste Schritt gemacht werden, ihre legitimen Rechte durchzusetzen.

In Aalgamar griff die Polizei die Bauern und Pastoralarbeiter bei einer Versammlung mit Tränengas an. Hier konnte der Bischof mit seinem Einfluß den Armen beistehen. 128 Delegierte von Kleinbauern, Landarbeitern, Industriearbeitern und Indios aus vierzig Diözesen Brasiliens haben beim dritten interkirchlichen Treffen der Basisgemeinden an die Bischöfe einen Brief gerichtet, in dem sie um weitere Unterstützung ihres Freiheitskampfes bitten: „Damit nicht mehr die einen lachen, die anderen weinen, die einen ihren Bauch und das Bankkonto füllen, die anderen aber vor Hunger sterben, weil sie weder Gesundheit noch Arbeit haben.” In Argentinien haben sich die Frauen zusammengetan. Wieviel tausende von Söhnen und Ehemännern sind dort spurlos in Gefängnissen verschwunden, wurden gefoltert und getötet! Das „Servicio” startete eine internationale Menschenrechtskampagne, dem sich verschiedene lateinamerikanische und internationale Vereinigungen anschlössen. Das sind nur einige wenige Beispiele von vielen Aktionen. Die Basisgemeinden sind heute die treibende Kraft, die aus dem Glauben heraus Alternativen und neue gangbare Wege finden wollen. Kirche bedeutet für sie: „Stimme für jene zu sein, die keine Stimme haben.” Die obersten Gebote der Gewaltlosigkeit sind Einigkeit und Unerschütterlichkeit. Es ist ein schwerer Kampf. Perez sagte: „Man kann das unmöglich mit triumphierendem Auge beobachten, aber doch voll Hoffnung für ein Volk, das sich erhoben hat, den Schwächsten und Ärmsten zu helfen. Sie sind auf dem Weg, der hinführt zum Reiche Gottes.”

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