6924971-1982_07_13.jpg
Digital In Arbeit

Friede wird nicht lautstark erbrüllt

19451960198020002020

Vielen ist die Friedensbewegung durch manchmal recht unfriedliche Massenkundgebungen ein Begriff. In Österreich setzen sich ganz verschiedene Kräfte durch Arbeit an der Basis für den Frieden ein.

19451960198020002020

Vielen ist die Friedensbewegung durch manchmal recht unfriedliche Massenkundgebungen ein Begriff. In Österreich setzen sich ganz verschiedene Kräfte durch Arbeit an der Basis für den Frieden ein.

Werbung
Werbung
Werbung

Aus dem Ausland hört man von Massendemonstrationen für den Frieden, die sogar in Gewalttätigkeiten ausarten. Sicher hat bei den NATO-Ländern die Nachrüstung einen anderen emotionellen Stellenwert als bei uns. Doch wächst schon seit geraumer Zeit auch in unserem neutralen Österreich eine Bewegung, die immer mehr Menschen erfaßt; seien es junge Leute, die an eine Zukunft ohne Neutronenbombe und Raketen glauben wollen, oder Ältere, die den Krieg noch miterlebt haben und denen die Angst im Nacken sitzt.

Sie alle wollen Frieden. Diese Einstellung ist kein Alibi, um nicht rückständig zu wirken, sie wissen meist genau, daß es sich um mühsame Arbeit handelt,

wenn man den Frieden will, daß man auch etwas tun muß dafür. Mit Geschrei und Tätlichkeiten wird er nicht zu erzwingen sein.

Maria Madiener von der Katholischen Frauenbewegung in Linz geht mit ihrem Team in Fabriken und Betriebe. Dort spricht sie mit den Frauen an ihrem Arbeitsplatz. Oft arbeitet sie auch mit Freda Meissner-Blau von der Sozialistischen Frauenbewegung zusammen. '

Beide sind sich in folgendem einig: „Friede fängt nicht erst bei der Waffenproduktion an, er beginnt in der Familie, am Arbeitsplatz. Friede ist eine Lebenseinstellung gegen jede Art von Aggression". Die Frauen sind in dieser Hinsicht auch leichter anzusprechen als die Männer.

Schon das Spielzeug kann für den Frieden eingesetzt werden. „Die anonyme Aggression beginnt beim ferngesteuerten Tötungsspielzeug und endet bei den Raketen. Denn nicht nur die Atomwaffen werden immer ge-

fährlicher, sondern vor allem die anonyme Gewalt, die das persönliche Gewissen nicht belastet", sagte Meissner Blau.

Die Frauen kommen mit großem Interesse, sind bereit, auch etwas für den Frieden zu tun, denn sie sind diejenigen, die am meisten unter jedweder Aggression, zu Hause oder im öffentlichen Leben zu leiden haben. In beiden Frauenbewegungen ist man überzeugt, daß diese Basisarbeit der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden ist.

Nicht nur die Frauen sind aktiv; Versöhnungsbund, Katholische Jugend (KJ), Zivildiener und Sozialistische Jugend (SJ), alle suchen, jeder auf seine Weise, den Weg zu einem dauerhaften Frieden. Die verschiedenen Gruppierungen stehen miteinander in Kontakt, respektieren einander und laden einander zu größeren Veranstaltungen ein.

Franz Küberl von der KJ und Leiter des Bundesjugendringes sieht seine Hauptaufgabe in einem breiten Bildungsangebot über Konfliktlösungen. In 600 Wochenendschulungen in ganz Osterreich und 180 Bildungsseminaren auf diözesaner Ebene werden diese Themen erarbeitet. Allein im Vorjahr haben 12.000 Mitarbeiter, die man als Multiplikatoren für ihre Pfarren ansehen muß, an diesen Veranstaltungen teilgenommen.

„Die Friedensinitiativen sollten sich nicht auf der Straße abspielen", meint Küberl, „aber wir nehmen selbstverständlich auch an öffentlichen Aktionen mit anderen Gruppen teil." Das Wichtigste für die KJ ist die innere Einstellung zum Frieden, und diese muß erarbeitet werden; sonst wäre diese Bewegung tatsächlich nur ein Aufspringen auf einen Modezug.

Der Versöhnungsbund, der sich schon seit Jahrzehnten um Friedensarbeit bemüht, hat besondere Praktiken der Gewaltlosigkeit zur Erreichung sozialer Ziele entwickelt. Ghandi und Martin Luther King sind seine Vorbilder. Der Versöhnungsbund hat ein weites Netz internationaler Querverbindungen aufgebaut. So kann Menschen in anderen Ländern beigestanden werden, sei es in Ar-

gentinien oder im Libanon.,.Friedensarbeit ist für uns gleich Entwicklungsarbeit", stellt Kurt Vallaster vom Versöhnungsbund fest.

Die Grundlagen für Gewaltfreiheit theologisch nach dem Evangelium aufzuarbeiten, haben sich KJ und Katholische Hochschulgemeinde zum Ziel gesetzt. „Um tatsächlich richtungsweisend zu sein, muß die Bergpredigt viel intensiver herangezogen werden", meint Küberl, der sich mit der Aussage der Bischofskonferenz über den Frieden unzufrieden zeigt

Die mittlere Generation zu erreichen, gestaltet sich allerdings oft sehr schwierig. „Da spielt der ÖGB eine traurige Rolle", gesteht Meissner-Blau. Wer an Friedensdiskussionen teilnimmt, bekommt einen schwarzen Punkt Räume werden in der Verstaatlichten Industrie für solche Veranstaltungen nicht zur Verfügung gestellt.

Josef Cap von der Sozialistischen Jugend (SJ) sagt: „Das Schlagwort von der Arbeitsplatzsicherung ist irreführend. In England hat das Friedensforschungsinstitut mit genauen Produktionsangaben bewiesen, daß die Rüstungsindustrie teure Rohstoffe braucht, die vielfach importiert werden müssen; außerdem ist sie gar nicht arbeitsintensiv." Die SJ hat daher auch schon konkrete

Alternativvorschläge bereit, um ernsthafte Gespräche mit Betriebsräten für eine Umstellung auf eine Produktion für friedliche Zwecke zu führen.

Im ökologischen Bereich gäbe es viele Beispiele etwa Filteranlagen gegen Luft- und Wasserverschmutzung, die Entwicklung umweltfreundlicher Autos u.a., Produkte, die weltweit benötigt werden. Cap führt Lucas Arrow Space, ein Werk in England, an, das bereits von der Waffenerzeugung auf hochwertige medizinische Apparate umgestiegen ist.

„Wir müssen die dritte Welt nicht mit Waffen vollstopfen", stellt dazu Vallaster fest, „es gibt so viele Dinge, die die Entwicklungsländer dringender benötigen würden." Versöhnungsbund und KJ haben in diesen Ländern verschiedene Projekte laufen.

Heute denkt man auch über die gewaltfreien Methoden nach, mit denen Raab und Figl die Freiheit erlangt haben. „Daß wir alle zusammenstehen müssen, diese Erfahrung scheint in der Bevölkerung immer mehr zu schwinden." Die SJ setzt ihr Hauptaugenmerk auf Medienarbeit. „Man muß auf jede Weise den Bewußtseinsprozeß in der breiten Öffentlichkeit in Gang setzen", meint Cap. Darum soll eine große Aktion für den Frieden gestartet werden, an der sämtliche Gruppierungen aller Richtungen teilnehmen wollen. Auch sollen alle Teilnehmer aus den Bundesländern und in Wien einmal sehen, wie stark die Friedensbewegung bereits ist.

Alle sind fest davon überzeugt daß die Staatsoberhäupter in den Demokratien über einen starken Friedenswillen in der Bevölkerung nicht hinwegsehen können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung