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Neue Wege, neue Ziele

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Die Friedensbewegung hat ihr Ziel, die Verhinderung der „Nachrüstung", nicht erreicht. Das Wettrüsten in Ost und West geht unaufhaltsam weiter. Entgegen den Vorjahren gab es 1984 keine Großkundgebung für den Frieden.

Demzufolge stellen viele Leute die Frage, ob denn die Friedensbewegung am Ende ist. Trotz dieser Situation behaupte ich, daß sich der Friedensbewegung mehr denn je Möglichkeiten zum Engagement bieten.

Waren die Aktivitäten bisher auf die Verhinderung des NATO-Beschlusses ausgerichtet, hat sich dieses Agieren gegen Raketen leider aus zeitlichen Gründen erübrigt. Nun hat die Friedensbewegung die Chance und die Verpflichtung, sich selbst ein neues Programm und neue Ziele zu geben.

Ich möchte versuchen, einige Bereiche aufzuzeigen, die mir für die inhaltliche und methodische Neuorientierung der Friedensbewegung wichtig scheinen:

• Esmußjede wie immer geartete Einseitigkeit verhindert werden. Ungerechtigkeit, Gewalt, Waffen, etc. müssen, ganz gleich wem sie gehören, geächtet werden.

• Die Theorie der Abschreckung muß ersetzt werden durch die Tatsache der gegenseitigen Achtung, des Vertrauens und des Willens zum friedlichen Zusammenleben.

• Die Verwirklichung der Menschenrechte muß eine Hauptaufgabe der Friedensbewegung sein.

• Die Erstellung von Programmen zu gewaltfreien Konfliktlösungen muß selbst durchgeführt, gefördert bzw. gefordert werden.

• Konzepte zur Umstellung der Rüstungsindustrie auf zivile Produktion müssen ausgearbeitet und verwirklicht werden.

• DerBereichderEntwicklungs-. hilfe, im Sinne eines Ausgleiches zwischen den Staaten im Norden und den Staaten im Süden, muß vehement zur Sprache gebracht werden. (Durch Spendenaktionen allein wird sicher keine Änderung erreicht.) Völkerverbindendes Vertrauen setzt Kenntnis und Achtung vor den Menschen anderer Länder voraus und erfordert umfassende Informations- und Bewußtseinsarbeit.

• Werte, für die es lohnt, sich einzusetzen, zu leben, müssen wieder entdeckt werden (Religion, Menschenrechte, Demokratie, Teilen, Verzichten, Nächstenliebe, Verantwortung, Kreativität, etc.).

• Es muß alles gegen soziale Ungerechtigkeit unternommen werden.

Unsere kreativen Anstrengungen müssen dem Frieden dienen, nicht dem Krieg. Grundsätzlich muß das Wollen, sich selbst zu verändern, selbst zu verzichten, selbst etwas zu tun, gleichgestellt sein mit der Forderung an andere, sich zu ändern.

Nächstenliebe, Mpischwürde, Vertrauen müssen die Grundlage für die Friedensarbeit, für den Frieden an sich sein. Das allerdings kann nur durch das Bemühen und Zusammenwirken aller erreicht werden.

Das globale Ablehnen der Friedensaktivisten, das unter Druck setzen, verurteile ich ganz entschieden.

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, die Gefahr durch Raketen, Waffen und Rüstungsindustrie zu verharmlosen. Von dieser Bedrohung wird aber laufend geredet und geschrieben.

Mir geht es darum, die anderen Bereiche nicht zu vergessen. Die Angst vor den Waffen darf uns nicht ablenken von den Fragen der Gerechtigkeit, der Menschenrechte, des Hungers und der Armut.

In diesem Sinne hoffe ich auf ein kräftiges Leben der Friedensbewegung, die ganz sicher nicht am Ende, sondern am Anfang ist.

Der Autor ist Vorsitzender des österreichischen Bundesjugendrings.

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