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Angst um Arbeitsplätze

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Wer meint, die österreichische Friedensbewegung sei nach der „Demonstration der 70.000” am 15. Mai in einen Dornröschenschlaf gefallen, irrt. Das erste nachfolgende bundesweite Friedensplenum der Plattform im September in Linz zeigte deutlich, daß zahlreiche regionale Friedensgruppen ihre Organisation ausgebaut, weitere sich neu gegründet und vor allem den Hiroshima-Tag auch während des Sommers zu Aktionen verschiedenster Art in allen Bundesländern genützt haben.

Hervorstechendste Tendenz der österreichischen Friedensbewegung: zwar bundesweite Koordination — insbesondere zu aktuellen Anlässen — und regelmäßig gesamtösterreichische Konferenzen, überwiegen aber soll das föderalistische Prinzip.

Auch die in den einzelnen Bundesländern allmählich entstehenden Plattformen sehen ihre Aufgabe in der Koordination; gezielte Aktivitäten wollen sie den regionalen Gruppen und den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten überlassen.

Beim Friedensplenum in Linz trafen Gruppen aus allen Bundesländern zusammen. Sie reichen vom katholischen und OVP-Ju-gendbereich über Unabhängige bis zum gesamten Spektrum des linken Lagers, auf deren etwas kleinkariert anmutende internen Konflikte die übrigen Friedensvertreter recht konsterniert reagierten.

Die Zusammensetzung der einzelnen Gruppen ist regional recht unterschiedlich. Speziell in Wien kommt es in einzelnen Bezirken gelegentlich zu Mitarbeitsverboten von Seiten der Parteien. So beispielsweise im 14. Bezirk für die SJ von der SPÖ-Bezirksorga-nisation, während sich andererseits in der Friedensgruppe Favoriten alle Plattformvertreter zusammengefunden haben.

In Wien gibt es einige sehr aktive Spezialgruppen. Die „Künstler für den Frieden”, die bereits das 15. Mai-Programm am Rathausplatz zuwegebrachten, organisieren derzeit ein großes Friedenskonzert für den 6. November in der Stadthalle, für das im wesentlichen alle österreichischen Künstler vom 15. Mai bereits zugesagt haben, aber auch Konstantin Wecker und Harry Belafonte.

Der Sprecher der „Hiroshima-Gruppe” war im Sommer zu zwei Konferenzen in Tokio eingeladen, als einziger Österreicher unter 102 Delegierten aus 47 Ländern. Der „Initiative Sozialarbeiter für den Frieden” ist es gelungen, für ihre stark sozial orientierte Plattform tausend Angehörige dieser insgesamt dreitausend Sozialarbeiter umfassenden Berufsgruppe in Österreich zu gewinnen. Ihren Schwerpunkt auf Friedenserziehung legt die „Lehrerinitiative für den Frieden”, deren Anliegen es auch ist, sich unabhängig von parteipolitischen Verbindungen zu organisieren.

Im Mittelpunkt der inhaltlichen Diskussion stand die österreichische Waffen- und Panzerproduktion. Ausgelöst durch die katholisch dominierte oberösterreichische Friedensbewegung einigte sich das Friedensplenum, daß ein Boykott waffenproduzierender Unternehmen angesichts der Ar-' beitsmarktsituation sinnlos ist.

Ziel der österreichischen Friedensbewegung soll es sein, mit den Beschäftigten dieser Unternehmen ins Gespräch zu kommen, sich ihnen nicht als Gegner (Einstellung der Waffenproduktion ist Verlust von Arbeitsplätzen), sondern als Verbündete zu präsentieren, die gemeinsam mit ihnen einen allmählichen Weg zur Umstellung auf andere Produkte finden will.

Abgesehen von den konkreten regionalen Aktivitäten beschloß das Plenum einen Aufruf an alle österreichischen Friedensgruppen, während der UN-Abrüstungswoche (Ende Oktober) und zum Staatsfeiertag österreichweit, doch den jeweiligen Gegebenheiten angepaßt, Aktionen durchzuführen.

Ebenfalls bereits festgelegt wurde eine gesamtösterreichische Friedenskonferenz für den 18. und

19. Dezember in Linz. In fünf Arbeitskreisen soll es dort in erster Linie um inhaltliche Fragen gehen: NATO-Nachrüstung einschließlich atomare Bedrohung und AKW (vorbereitet von Wien und Salzburg); Rüstungsproduktion mit den damit zusammenhängenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen einschließlich Umrüstung und Dritte Welt (vorbereitet von Oberösterreich); Verteidigung, miteinbezogen die Themen Gewaltfreiheit, Friedenserziehung, Zivildienst und Bundesheer (vorbereitet von Wien); Antifaschismus mit allen Spielarten des sogenannten Alltagsfaschismus (vorbereitet von Niederösterreich); Aktionsformen der Friedensbewegung, ihr Verhältnis zu den Medien und zur Öffentlichkeit, Koordination und Struktur der Friedensbewegung (gestaltet von Vertretern aller Bundesländer).

Das sechs Stunden dauernde Linzer Plenum verlief im großen und ganzen konstruktiv. Zu verdanken war das in erster Linie den Oberösterreichern und ihrer langjährigen Erfahrung als Friedensbewegung, während sich speziell die Politjugendfunktionäre-Mentalität so mancher Wiener Vertreter eher lähmend bemerkbar machte.

Dagegen würde eine solche Unterlassung der Verteidigung des Territoriums die andere Konfliktpartei berechtigen, ihren Gegner bereits auf österreichischem Gebiet zu bekämpfen — Österreich würde Kriegsschauplatz der anderen, ein Schicksal, für das der Libanon heute ein warnendes Beispiel sein mag.

Österreich kann sich daher nicht auf Soziale Verteidigung beschränken, sondern hat eine „Landes”-Verteidigung sicherzustellen; die aber kann nicht ohne militärische Mittel auskommen.

Verzicht auf Schutz

Wenn damit auch Soziale Verteidigung keine Alternative zur bestehenden Sicherheitspolitik darstellt, so könnte doch ziviler Widerstand als Ergänzung der militärischen Maßnahmen seinen Platz finden. Freilich wird eine analytische Betrachtung zum Schluß kommen, daß die meisten Forderungen an einen zivilen Widerstand, wie sie in der Theorie der Sozialen Verteidigung erhoben werden, im österreichischen Konzept der Umfassenden Landesverteidigung bereits verwirklicht worden sind.

Hier finden sich bloß jene Maßnahmen nicht, die zum zivilen Ungehorsam gegen eine Besatzungsmacht auffordern würden: Solche Maßnahmen stehen aber im Widerspruch zum geltenden Völkerrecht und würden die Zivilbevölkerung schwersten Verfolgungsmaßnahmen der Besatzungsmacht aussetzen; die Anstiftung dazu wäre verantwortungslos.

Forderungen, man möge „Soziale Verteidigung” neben der Umfassenden Landesverteidigung vorsehen oder in ihr integrieren, gehen daher an der Sachfrage vorbei: „Soziale Verteidigung” würde den Verzicht auf den militärischen Schutz des Territoriums implizieren und für Österreich die Gefahr letztlich erhöhen, in kriegerische Auseinandersetzungen anderer hineingezogen zu werden.

Ziviler Widerstand ist dagegen — soweit er sich im Rahmen des völkerrechtlich Legitimierten bewegt — im Konzept der Umfassenden Landesverteidigung bereits vorgegeben: Hier würde vor allem der Bereich humanitärer Hilfeleistungen ein weites Betätigungsfeld auch für jene bilden, die der militärischen Komponente aus Gewissensgründen ihren Dienst verweigern.

Der Autor leitet das Institut für strategische Grundlagenforschung (Landesverteidigungsakademie Wien).

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