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Viel Sympathie für Friedensbewegung

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Dem Phänomen der Friedensbewegungen versuchte unlängst eine Reihe junger Wissenschafter bei einem Symposion in Salzburg auf den Grund zu gehen. Es gelang ihnen aber nur zum Teil.

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Dem Phänomen der Friedensbewegungen versuchte unlängst eine Reihe junger Wissenschafter bei einem Symposion in Salzburg auf den Grund zu gehen. Es gelang ihnen aber nur zum Teil.

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Das Tagungsthema bei dem vom Bundesland Salzburg, dem Salzburger ORF-Landesstudio in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstalteten Symposion war mit „Die Friedensbewegungen" völlig richtig gewählt. Denn in der Tat ist es geradezu unmöglich, die Friedensbewegung als eine Einheit zu betrachten: zu unterschiedlich sind etwa die Motivationen der Friedensbewegungen in Westeuropa und in den USA, zu unterschiedlich auch die Ausgangspositionen in den einzelnen Ländern - etwa im NATO-Mitgliedsstaat Bundesrepublik Deutschland oder im neutralen Österreich.

Beim Salzburger Symposion wurden vom „Forum Humanum" des „Clubs von Rome" und der „Internationalen Vereinigung der katholischen Universitäten" (FI-UC) denn auch eine Anzahl von Studien über Motivationen und Ansichten der Friedensbewegungen präsentiert. Doch durch die Fülle des Materials wurde die Thematik eher weiter zersplittert, als daß Klarheit darüber geschaffen wurde.

Dazu kam, daß sich etliche Redner offensichtlich derart in ihr Thema „verliebt" hatten, daß sie jegliche kritische Distanz dazu vernriissen ließen. In dieser Hinsicht unterschieden sich die amerikanischen Teilnehmer löblich von den meisten ihrer europäischen Wissenschaftskollegen, weil sie pragmatisch und empirisch an die Sache herangingen.

Völlig unverständlich bei diesem Symposion war, daß die Friedensströmungen in Osteuropa in keiner einzigen der präsentierten Studien behandelt wurden, was von Diskussionsteilnehmern denn auch mehrfach bedauernd registriert wurde.

Dabei wurde mehrfach betont, daß gerade die Christen in der Friedensbewegung eine wichtige Rolle übernehmen, moralische Grundsätze und die so häufig geforderte „Ausgewogenheit" in die Friedensdiskussion und -arbeit einbringen könnten. Beim Salzburger Symposion war davon leider nicht immer etwas zu bemerken.

Es gab aber auch eine Reihe ganz ausgezeichneter Studien; das auf dieser Seite auszugsweise abgedruckte Thesenpapier von Ortwin Buchbender ist eine davon, eine andere ist die Analyse des Wiener Politologen, Univ.-Prof. Heinrich Schneider über die „Probleme des Friedensengagements aus österreichischer Sicht".

Schneider analysierte detailliert die Vorgeschichte des österreichischen Friedensmarsches vom 15. Mai 1982 in Wien, an dem 70.000 Menschen teilgenommen hatten. Er ließ die Kanalisie-rungsversuche der kommunistischen Gruppen in der Vorbereitungszeit dieses Marsches ebensowenig unerwähnt wie das Engagement katholischer Kräfte, die wesentlich mit dazu beitrugen, daß diese Demonstration in Wien doch das Bild einer relativen Ausgewogenheit vermittelte. Von dieser „relativen Ausgewogenheit" hänge es auch ab, wie es mit der Friedensbewegung in Österreich weitergehe.

Ganz allgemein hat die Friedensbewegung in Österreich einen guten Resonanzboden. Univ.-Prof. Schneider präsentierte in Salzburg eine erst im Dezember durchgeführte IFES-Untersu-chung (2000 Befragte in ganz Österreich) rtiit teilweise beachtlichen Resultaten. % Demnach stehen in Österreich 54 Prozent Befürworter der Friedensbewegung (mit einem harten Kern von zwölf Prozent) 14 Prozent Gegnern gegenüber. Die Friedensbewegung findet also bei der Mehrheit der Österreicher Sympathie, wobei die Zustimmung durch alle Altersgruppen geht, wenn die potentiellen Aktivisten auch eher unter den jungen Menschen zu finden sind. • Die Friedensbewegung ist in starkem Maß ein Anliegen religiös motivierter Österreicher. Die kirchlich Gebundenen sind weit weniger indifferent und tendieren insgesamt mehr zu einer positiven Einstellung.

• Für mehr als zwei Drittel der Anhänger der Friedensbewegung ist dieses Engagement mit der Bejahung der militärischen Landesverteidigung vereinbar, bedeutet also nicht Pazifismus.

• Das negative Urteil über die Politik der Sowjetunion ist bei den 2000 Befragten deutlicher ausgeprägt als das Urteil über die Politik der USA. Von Äquidistanz oder Neutralismus kann laut den Umfrageergebnissen nicht die Rede sein, auch nicht bei den Anhängern der Friedensbewegung.

Professor Schneider war auch einer der wenigen Redner auf diesem Symposion, der konkrete Andeutungen machte, wo die Arbeit der Friedensbewegung in Zukunft hinzielen könnte. Seiner Ansicht nach ist die Fixierung der Friedensbewegung auf den Streit um das Kräfteverhältnis zwischen den Machtblöcken und um die Stationierung oder Nichtsta-tionierung bestimmter Waffensysteme zuwenig. Entscheidend sei der Abbau der destabilisierenden Faktoren, nämlich die Revision der strategischen Doktrinen von NATO und Warschauer Pakt. Darauf müsse die Friedensbewegung hinwirken, sonst greife sie zu kurz.

Dabei müsse die Friedensbewegung allerdings ausgewogen operieren. Denn wenn sie so agiere, daß nur ein Lager unter Druck gesetzt werde, verführe das die andere Seite dazu, eigene Konzessionen für überflüssig zu halten.

Ähnlich wie Univ.-Prof. Schneider über die künftige Arbeit der Friedensbewegungen äußerte sich auch Paul M. Cole von der weltberühmten Georgetown University in Washington. Auch er glaubt in einer Studie über die amerikanische „Freeze"-Bewegung, daß diese durch eine sachliche und weniger rhetorische Auseinandersetzung mit der Atomwaffen-Problematik langfristig auf die Strategie-Diskussion einwirken könne.

Zwei Anregungen, die in Salzburg allerdings nur geteiltes Echo fanden…

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