Wir brauchen eine globale Tradition des Friedens
Heute hat die Friedensbewegung nur eine Chance, wenn sie sich als umfassende internationale Sozialbewegung versteht. Ein Anachronismus mit Zukunft.
Heute hat die Friedensbewegung nur eine Chance, wenn sie sich als umfassende internationale Sozialbewegung versteht. Ein Anachronismus mit Zukunft.
Fast scheint es, als ob der Pazifismus zum Anachronismus geworden ist. Die internationale Politik wird scheinbar ausschließlich durch demonstrative Muskelspiele einer provozierten Weltmacht bestimmt. Die Grobschlächtigkeit mancher Ankündigungen ist bestürzend, sie zerstört auch die feinen Fäden stiller Diplomatie und kluger intellektueller Analysen. Der Wandel gegenüber den siebziger Jahren könnte nicht dramatischer sein.
Damals bestimmten die Jahresberichte des Stockholmer sipri-Instituts die Diskussion, friedliche Proteste gegen den Vietnam-Krieg waren die Regel, in den Köpfen lag ein Hauch von Ghandis gewaltlosem Widerstand und Politiker wie Olof Palme, Willi Brandt und Bruno Kreisky demonstrierten, dass internationale Politik auch jenseits der Militärpolitik möglich ist.
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Zweifellos trug die damalige Diskussion auch lächerliche Züge: etwa bei den Nachahmern der amerikanischen Flower Power-Bewegung in Österreich oder in Form der naiven Hoffnung "Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin". Zerschellt ist die damalige Friedensbewegung daran, dass sie selbst nicht in allen Teilen friedlich blieb. Aus dem Protest gegen den Vietnam-Krieg und die deutsche Wiederaufrüstung entstand die militarisierte und gar nicht friedliche raf, gegen die der Staat eben nicht mit der erwarteten faschistischen Reaktion, sondern mit Mitteln des demokratischen Rechtsstaats antwortete.
Einen entscheidenden Schlag erhielt die Friedensbewegung durch die Tatsache, dass nach Jahrzehnten auch in Europa wieder ein konventioneller, schmutziger Krieg tobte. Der europäischen pazifistischen Linken wurde (bis zum deutschen Außenminister Joschka Fischer) klar, dass die Flüchtlinge im ehemaligen Jugoslawien eben nicht mit Blumenkränzen und Hare Krishna-Ritualen geschützt werden konnten. Heute hat die Friedensbewegung nur eine Chance, wenn sie sich als umfassende und langfristige internationale Sozialbewegung versteht. Sie muss von der Analyse obszöner Ungerechtigkeiten ausgehen, und diese reichen von der Zerstörung natürlicher Ressourcen bis zur Praxis der internationalen Finanzmärkte. Es sind diese Ungerechtigkeiten, die ein Nährboden für Terror und militärische Konflikte sind.
Tiefgreifend
Daher sollte die Friedensbewegung die Hoffnung auf eine kurzfristige Besserung der Weltlage aufgeben. Geholfen werden kann nur langfristig. Der Terror islamischer Gruppen ist durch Jahrzehnte entstanden - er kann nicht in wenigen Jahren beseitigt werden. Die Kriege Afrikas sowie in asiatischen oder lateinamerikanischen Ländern haben tief verwurzelte Gründe. Sie können nicht durch eine rasche philanthropische Gehirnwäsche gelöst werden. Die angespannte Weltlage ist nicht nur ein Problem des Bewusstseins, sondern auch des - äußerst ungerechten - Seins.
Übrigens ist in allen diesen Punkten europäische Bescheidenheit angebracht: Solange Europa, der Kontinent der Aufklärung und des Humanismus, in Nordirland und Spanien keine zufrieden stellenden pazifistischen Antworten gefunden hat, ist Arroganz gegenüber anderen Ländern und Kontinenten nicht angebracht.
Tradition des Friedens
Österreich hat eine große Tradition in der Friedensbewegung. Wir stellen mit Bertha von Suttner und Erich Fried zwei Nobelpreisträger (auch wenn das schon fast 100 Jahre her ist). Österreich könnte die pazifistische Rolle seiner Außenpolitik, wie sie in den siebziger und achtziger Jahren gezeigt wurde, mutig fortsetzen. Voraussetzung dafür wäre, dass sich unsere Politik international weniger ins Abseits stellt, als sie das derzeit in wichtigen Fragen (von Temelín bis zu Irak-Besuchen) tut. Die Chancen dafür sind gering, aber wir sollten an sie glauben.
Der Autor ist Restitutionsbeauftragter der Gemeinde Wien.
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