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Wirbel um Ostagitation

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Der schweizerische Bundesrat hat die Öffentlichkeit mit der Schließung des Berner Büros der sowjetischen Nachrichtenagentur Nowosti (APN) und der Ausweisung des verantwortlichen Direktors überrascht. Die Landesregierung will Beweise haben, daß vor allem durch zwei bei der Agentur angestellte Schweizer Journalisten massive Beeinflussungen von Teilen der Friedensbewegung des Landes und die Organisation zahlreicher politischer Demonstrationen und Kundgebungen erfolgten.

Die Reaktionen auf diesen Paukenschlag der Schweizer Spionageabwehr sind zwiespältig. Viel Beifall ist zu hören, vor allem aus Kreisen, denen die Friedensbewegung seit je höchst suspekt war, und die nun in der Pose des „Wir haben es ja immer gesagt“ triumphieren.

Auf der anderen Seite wehren sich linke Kreise vehement gegen die doch recht pauschalen Vorwürfe, die aus „politischen und juristischen Gründen“ nicht mit allen Beweismitteln auf den Tisch gelegt werden.

Sie sprechen von einem „Akt des Kalten Krieges“, von Verleumdung und wollen gar ihre Landesregierung beim Europäischen Gerichtshof in Straßburg wegen Verletzung der Artikel über die Meinungsäußerungsfreiheit der Menschenrechtskonvention einklagen. Zudem wird der Vorwurf erhoben, die Schweiz habe die Helsinki-Schlußakte der KSZE verletzt.

Die Erklärung des Bundesrates zur Schließung der Agentur erhielt allerdings einigen Polit- Zündstoff und wirkte denn auch wie eine Bombe. Der offizielle Schließungsgrund wurde umschrieben mit „nicht mit der Agenturtätigkeit zu vereinbarender, fortgesetzter und gravierender Einmischungen in inner- schweizerische r Angelegenheiten“.

Die beiden erwähnteii Schweizer Nowosti-Mitarbeiter (Mitglieder der kommunistischen Partei der Arbeit, die in der Schweiz ein Schattendasein fristet und lediglich in Teilen der französischsprachigen Schweiz eine gewisse politische Kraft darstellt) werden beschuldigt, im

Einverständnis mit den APN- Verantwortlichen von den Räumen der Presseagentur aus verschiedene politische Aktivitäten entfaltet zu haben.

Neben der Beeinflussung der Friedensbewegung sollen sie „ideologische Schulung und Kriminalisierung Jugendlicher“ betrieben und eigentliche „Desinformationsaufträge“ wahrgenommen haben.

Zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen aller Art (auch gegen den Bau von Atomkraftwerken) seien von ihnen wesentlich mitorganisiert worden. Schließlich hätten sie auch bei der Beratung und Unterstützung von Militärdienstverweigerern mitgewirkt}

Das Vorschieben von Schweizer Mitarbeitern seitens der APN habe es ermöglicht „in verdeckter und von der Schweiz nicht hin- nehmbarer Weise Einfluß auf das öffentliche Leben unseres Landes zu nehmen“, teilte der Bundesrat mit. Er erklärte, er werde mit aller Entschiedenheit gegen solche Versuche — von welcher Seite auch immer-, den politischen Wil lensprozeß in der Schweiz zu beeinflussen und damit die Souveränität des Landes zu verletzen, Vorgehen.

Nach der ersten Überraschung — verschiedene Zeitungen sprachen von „Schock und Empörung“ über die Enthüllungen, die die schwärzeste Phantasie und die schlimmsten Befürchtungen übertroffen hätten — meldeten sich auch die Kritiker der Aktion, und es sickerte durch, daß im siebenköpfigen Bundesrat durchaus nicht einhellige Meinung über die der Öffentlichkeit präsentierten „Drahtzieher-Theorien“ herrschten, was allerdings offiziell dementiert wurde.

Die Aktion trug deutlich die Handschrift des erst seit wenigen Monaten das Justiz- und Polizeidepartement führenden Bundesrates Rudolf Friedrich, dem der Ruf eines „Kalten Kriegers“ und „Linken-Fressers“ schon vor der Amtsübernahme vorausging.

Der Bundesrat — durch die Kritiker herausgefordert — hielt zwar an seinen Vorwürfen in einer weiteren Pressekonferenz fest, gab aber in einer Zusatzerklärung doch eine differenzierte Einschätzung der Friedensbewegung. Seine Maßnahmen zur Schließung der Agentur hätten sich nicht gegen diese Gruppierung gerichtet.

Die Landesregierung sei allerdings der Auffassung, daß die Art und Weise, wie sich die sowjetische Nachrichtenagentur für die Tätigkeit der Schweizerischen Friedensbewegung interessiere, deren Verantwortliche zur Vorsicht mahnen und die Frage aufwerfen solle, „wie man sich von der Schützenhilfe Moskaus distanzieren kann“.

Hier liegt denn auch der Kern der Kontroverse. Daß die Schweiz mit Agenten aus dem kommunistischen Osten „verseucht“ ist, und die sporadische Enttarnung einzelner KGB-Leute nur die Spitze des Eisbergs darstellt, weiß jeder.

Die Art und Weise aber, wie der jüngste Fall „ausgeschlachtet“ und vielerorts hämisch kommentiert wurde, machte aber doch auch zahlreiche Schweizer betroffen. Denn jetzt haben es die ehrlichen Verfechter des Friedens, die engagierten Vertreter von Anliegen der Jugend oder der Dienstverweigerer (für die es noch immer keine Alternative zum Gefängnis gibt) und patriotisch gesinnte Kritiker an der Armee um vieles schwerer, sich vom Odium des von Moskau Manipulierten zu befreien.

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