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Ausländerpolitik und Schutz vor Terrorismus

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Die Schweizer stehen wieder einmal vor einem wichtigen Doppel-Urnengafig. Am 6. Juni haben sie zum sechstenmal innerhalb von zwölf Jahren über die Frage zu entscheiden, wie die Ausländerpolitik zu gestalten sei: Zudem geht es in einer zweiten Vorlage um eine Verschärfung des Strafgesetzes, um mehr Schutz gegen Gewalt und Terror zu gewährleisten.

Beobachter rechnen für beide Abstimmungen mit einem Ja, doch gehen über die Deutlichkeit dieser Zustimmung die Prognosen auseinander.

Die Ausländerpolitik gehört zu den Evergreens der Geschichte der Schweizer Urnengänge der neuesten Zeit. Sie polarisierte die Öffentlichkeit jeweils sehr stark und weckte Emotionen, die teils zu derart unschönen Abstimmungskämpfen führten, daß man sie am liebsten vergessen würde.

Am übelsten ging es anfangs der siebziger Jahre zu, als eigens fremdenfeindliche Parteien gegründet wurden, die die Zahl der damals über eine Million betragenden Ausländer (knapp 17 Prozent der Wohnbevölkerung in der Schweiz) drastisch und ohne Rücksicht auf menschliche Aspekte verringern wollten.

Viermal lehnten die Stimmbürger derartige Versuche an der Urne ab, teilweise allerdings recht knapp. Vor gut einem Jahr wurde dann aber auch ein Volksbegehren (die sogenannte „Mitenand”-Initiative, über die die FURCHE seinerzeit berichtete) klar abgelehnt, das die Rechtsstellung der Ausländer stark verbessern wollte.

Nun geht es um ein neues Ausländergesetz, das das Parlament mit klarem Mehr verabschiedet hatte und das mit dem Hauptziel der Stabilisierung der heute auf rund 910.000 abgesunkenen Ausländerzahl einen Mittelweg zu gehen versucht.

Sowohl die Anliegen der Schweizer (etwa Schutz des Arbeitsplatzes) sollen weitmöglichst berücksichtigt als auch die Rechtsstellung der Gastarbeiter verbessert werden.

Gegen dieses Gesetz hat die schon in den erwähnten Abstimmungen der siebziger Jahre an vorderster Front kämpfende „Nationale Aktion für Volk und Heimat” erfolgreich das Referendum ergriffen, so daß es nun dem Volk vorgelegt werden muß.

Das Gesetz verlangt, daß „ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Bestand der schweizerischen und dem der ausländischen Wohnbevölkerung” anzustreben sei. Dieses Ziel soll aber nicht durch Abbaumaßnahmen, sondern durch die Begrenzung der Zahl neu einreisender Jahresaufenthalter und Saisonniers (Ausländer, die höchstens neun Monate pro Jahr in der Schweiz arbeiten dürfen) erreicht werden.

So wird neu einem Ausländer die Einreise erst gestattet, wenn er einen Arbeitsvertrag vorweisen kann und sein künftiger Arbeitgeber für die Stelle keinen

Schweizer oder bereits in der Schweiz lebenden Ausländer gefunden hat. Zudem darf er nicht zu einem tieferen Lohn als ortsüblich und zu schlechteren Arbeitsbedingungen eingestellt werden.

Den Zulassungsbeschränkungen stehen aber eine Reihe von Verbesserungen für die Ausländer gegenüber, die mit zunehmender Aufenthaltsdauer den Schweizern gleichgestellt werden sollen. So enthält der Gastarbeiter nach fünf Jahren Aufenthalt Anspruch auf die Verlängerung seiner Arbeitsbewilligung.

Nicht verzichtet wird dagegen „aus wirtschaftlicher und innenpolitischer Notwendigkeit” auf das Saisonnierstatut, das vor allem Zielscheibe der erwähnten Mitenand-Initiative war. Allerdings wird durch das Gesetz die Lage der Saisonniers in rechtlicher und menschlicher Hinsicht verbessert.

Die Gegner wenden sich eigentlich nicht gegen einzelne dieser Bestimmungen, sondern gegen „die Grundtendenz des Gesetzes”, das eine weitere Einwanderung von Ausländern ermöglichen und den „Lebensraum” der Schweizer über Gebühr einenge. Zudem wird bezweifelt, daß der Schutz schweizerischer Arbeitnehmer in Zeiten der Rezession noch gewährleistet werden könne.

Alle Parteien und Gewerkschaften sowie die Kirchen haben zum Ja aufgerufen, doch dürfte latent die Opposition der früheren Jahre, geschürt von den „Uberfremdungsgegnern”, doch noch nachwirken, so daß weit mehr Nein zu erwarten sind als die kleine Splitterpartei, die hinter dem Referendum steht, eigentlich mobilisieren könnte.

Beim zweiten Abstimmungsgegenstand, dem Strafgesetz, verlaufen die Fronten auch nur vordergründig klar. Hier bekämpft vor allem die Linke die schärferen Strafbestimmungen und brandmarkt einzelne Gesetzesteile als „Schnüffelparagraphen” und „Maulkorb”.

Der Opposition haben sich aber auch die Jugendbewegungen der bürgerlichen Parteien angeschlossen, und selbst einzelnen prominenten „Altpolitikern” der Rechten und der Mitte ist es ob einigen Paragraphen nicht ganz wohl. Dennoch ist mit einer klaren Annahme zu rechnen.

Kaum auf Opposition stößt die Grundidee der Revision, nämlich Terroristen und Gewaltverbrecher strafrechtlich härter anzufassen. Es gibt bei dieser Vorlage aber drei „pieces de resistance”, die zu einem lebhaften und engagierten Abstimmungskampf führten:

# Vor allem im Gefolge der schweren Jugendunruhen in der Stadt Zürich wurde „aus Anlaß einer öffentlichen Zusammenrottung” die Sachbeschädigung vom bisherigen Antragsdelikt zum Offizialdelikt. Wenn Fensterscheiben bei einem Krawall in Brüche gehen, muß also von Amts wegen ein Strafverfahren eingeleitet werden. Ein Teil der Gegner befürchtet, man könne aus dieser Bestimmung eine Beschränkung der Demonstrationsfreiheit ableiten.

# Neu wird auch die „öffentliche Aufforderung zu einem Vergehen mit Gewalttätigkeit” strafbar. Hier sprechen die Gegner von einer uferlosen Meinungsüberwachung durch Polizeiorgane und einer Einschränkung der Versammlungs-, Demonstrati-ons- und Redefreiheit, während die Befürworter das Kriterium der Gewalttätigkeit betonen, die Bestimmung also niemanden betreffe, der bloß öffentlich seinem Unmut Luft mache.

• Die heftigsten Diskussionen hat die Bestimmung über strafbare „Vorbereitungshandlungen” zu Verbrechen ausgelöst. Bisher galt als unschuldig, wer nicht zumindest einen unvollendeten Versuch unternommen hatte. Die Opposition sieht in der Bestimmung einen Freipaß für die Polizei, oppositionelle und kritische Staatsbürger zu überwachen und zu beschnüffeln.

Die Regierung und die Mehrheit des Parlaments weisen darauf hin, daß es nur um die konkrete Vorbereitung von Verbrechen schwerster Art gehe. Der Rechtsschutz des Bürgers gegen Willkür und für seine Privatsphäre bleibe gewährleistet.

Beide Abstimmungsvorlagen beschlagen wichtige gesellschaftspolitische Fragen, und das Verhältnis von Ja- zu Nein-Stimmen gibt interessante Aufschlüsse, wo das Schweizer Volk in diesen Problemkreisen seine Schwerpunkte haben will.

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