Worte, die über die Grenzen gehen

Werbung
Werbung
Werbung

"Tief aber und radikal ist immer nur das Gute“, hat Hannah Ahrendt, die jüdische Philosophin gesagt. Ein Merksatz, der trösten kann, denn er trägt die Wucht des abgrundtief Bösen in sich. Ein Gegensatz für den einen Ich-bin-Satz, der alle anderen nach sich zieht: "Je suis Charlie“ - "Ich bin Charlie“. Symbol für eine Vernichtung ohne jeden Sinn. Terrorangst geht um in Europa, in der Welt. Und eine andere Angst vor Stigmatisierung.

Ich glaube, wir brauchen jetzt einen Satz, der außerhalb von allen Religionen steht, nicht über dem jeweiligen Glauben, sondern mitten unter den Menschen, in eines jeden Menschen Suche und Trauer und Angst.

Wir brauchen jetzt Worte, die über alle Grenzen gehen, nicht nur über die Grenze der Sprache. Vor allem über die Grenze des Hasses und des Misstrauens. Wie die Sprache einmal war, als es noch keine Religionen gab, aber die Würde im Anfang des "Es werde“ und die eines werdenden Gottes. Später sagt Gott einmal von sich selbst: "Ich bin der ich bin“. Und er sagt in allen Religionen auf die verschiedenen Weisen: Ich bin für dich da. Das Prädikat "gut“ eignet seinem Wesen und Welten Erschaffen.

Wenn Menschen aber heute alle die Sätze vom Schrecken und Schmerz der Welt und ihre Tränen teilen und sie mit schöner Macht gemeinsam nach der Freiheit und der Würde rufen, dann ist das auch ein Gottesbeweis. In der evangelischen Kirche wird im diesem Jahr 2015 das Jahr der Bildung begangen. Um darauf hinzuweisen, dass wir Menschen in Lernprozessen andere werden können. Dorothee Sölle hatte Hannah Ahrendt einmal weitergeführt und gesagt: "Lernen ist verlernen“. Dafür brauchen wir die Religionen alle, um in jeder Sphäre des Daseins miteinander zu verlernen, dass das Böse den Sieg davon trägt. Es ist nicht ewig.

"Tief aber und radikal ist immer nur das Gute.“

Die Autorin ist Pfarrerin an der Lutherischen Stadtkirche in Wien

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung