Wie gut sind die Guten?

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Das Jonglieren von Kennzahlen ist keine reine Domäne von profitorientierten Unternehmen mehr. Controlling wird für NGOs zusehends wichtiger.

Mein Controlling-Einstieg war im Jahr 1998. Damals habe ich noch Papierlisten in das Tabellenkalkulationsprogramm Excel eingetippt", sagt Alexander Bodmann, Generalsekretär der Caritas Wien. Heute ist das Controlling der Caritas Wien ganz anders aufgestellt: Die Abteilung weist vier Dienstposten auf und muss sich internen wie externen Herausforderungen stellen. Zum einen seien die internen Abläufe vielschichtiger geworden, da die Caritas Wien in den vergangenen 20 Jahren von 700 auf 3200 Mitarbeiter angewachsen ist. Betriebswirtschaftliche Instrumente einzuführen, sei somit nur eine logische Folge.

Die Gelder sind knapp

Zum anderen habe sich auch die Haltung der öffentlichen Geldgeber gewandelt. Die Anforderungen an die Abrechnung mit einer nichtstaatlichen Organisation (NGO) aus dem Sozialbereich, die Aufträge vom Staat übernimmt, ist um ein Vielfaches komplexer geworden. Und Bodmann gibt zu bedenken, dass auch die Mittel nicht unbedingt mehr geworden sind. Das heißt, ein effizienter Einsatz der Gelder - ohnehin Pflicht einer jeden seriösen NGO - ist somit mehr als angebracht. Darum stellt sich für die Caritas die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Abteilung schon lange nicht mehr. "Controlling ist zuerst die Steuerung von Mitteln und erst in zweiter Linie die Kontrolle, wie diese eingesetzt wurden. Und die Steuerung ist eine Management-Aufgabe, und diese braucht Daten", sagt der Generalsekretär, der an der Wirtschaftsuniversität Wien Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Controlling studiert hat, im Furche-Gespräch.

Die Volkswirtin und Buchautorin Maria Laura Bono sieht, neben der Aufgabe der Erhebung und Interpretation von Daten für die Entscheidungsfindung in einer Organisation, im Controlling auch eine Möglichkeit der Motivation der Mitarbeiter. Denn gerade im Sozialbereich sei es oft nicht einfach genau zu belegen, warum es einem Klienten besser geht. Oder warum dieser gerade jetzt bereit ist, eine Therapie zu beginnen. Mittels Kennzahlen - eine wird nicht genügen, um den Therapie-Erfolg zu illustrieren - ist es allerdings möglich, zumindest teilweise die Erfolge der Mitarbeiter greifbar darzustellen. So könnte zum Beispiel der Menge der Beratungsstunden die Anzahl der Menschen gegenübergestellt werden, die innerhalb eines Jahres eine Therapie begonnen haben. Wenn die eigenen Erfolge messbar werden, führe dies zu Zufriedenheit und daraus folgend zu Motivation.

Wenngleich Bodmann den Schwerpunkt des Controllings in einer sozialen Organisation auf der Steuerung der vorhandenen Geldmittel legt, so ist die Legitimation der gesetzten Handlungen - des Guten, das die Organisationen leisten - vor allem den privaten Geldgebern gegenüber, eine nicht unwichtige Aufgabe des Controllings. Denn der Druck, den die Geldgeber auf die Organisationen ausüben sei laut Bono sehr hoch.

Der Zweckzwang ist hierfür ein Beispiel: Ein großer Anteil des eingehenden Geldes ist zweckgebunden, doch versucht man, Geld abseits der Standardzielgruppe "Kinder" aufzutreiben, tut man sich schwer. Dennoch, das einbezahlte Geld muss bei denen ankommen, mit deren Geschichten "geworben" wurde, sonst verliert eine Organisation ihre Glaubwürdigkeit und damit ihre Spender.

Die Haltung der Geldgeber ist verständlich, man will nicht hintergangen werden, doch die Zweckbindung schränkt auch den Handlungsspielraum ein. Natürlich will auch die öffentliche Hand wissen, wofür ihre Mittel verwendet werden, wobei Bodmann meint, dass hier in erster Linie die Input-Faktoren interessieren. Diese Strukturqualitätskriterien legen u. a. fest, wie groß ein Pflegezimmer zu sein hat oder wie die Pflegedokumentation aussehen muss. Nicht, dass Output-Faktoren unmöglich messbar wären, dies sei aber aufwendiger, wenn zum Beispiel erhoben wird, wie der Pflegeheimbewohner die Qualität der Pflege bewertet. Oder wenn man festlegt, welches Ergebnis man sich mit den eingesetzten Mitteln erwartet, so Bono.

Es gibt Grenzen

Für Bodmann könne man nicht einfach Finanzkennzahlen über eine soziale Organisation darüber legen und meinen, damit wäre es getan. Das Beispiel der reformierten deutschen Pflegeversicherung, bei der jede erbrachte Leistung durch Minuten festgelegt ist, macht das deutlich. So sei eine gewisse Minutenanzahl für das Haarekämmen vorgesehen sowie für das Wechseln eines Verbandes und so weiter, und schlägt sich somit auch mit einer dementsprechend errechenbaren Höhe als Kosten nieder. Dieses Einteilen in Zahlen lasse aber völlig die Situation des Patienten außer Acht. "Ich verstehe, dass man jede einzelne Dienstleistung bewerten möchte, was der hehre BWL-Ansatz wäre. Doch das ist für den Sozialbereich nicht immer die adäquate Vorgehensweise", sagt Bodmann.

Bono empfiehlt jeder NGO die Einführung von Controlling-Mechanismen: Wenn Ziele und Maßnahmen festgelegt sind, kann man diese überprüfen, und es kommt zu einem "lebenslangen Lernen" in der Organisation.

Controlling

Der betriebswirtschaftliche Begriff beschreibt ein umfassendes Steuerungs- und Koordinationskonzept, das dazu dient, der Geschäftsführung eines Betriebes Zahlen und Fakten so aufzubereiten, dass sie als Grundlage für Entscheidungen im Sinne einer ergebnisorientierten Planung und Umsetzung von unternehmerischen Aktivitäten dienen können. Dies geschieht nicht nur jährlich, sondern laufend.

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