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Vorurteile mit fatalen Folgen

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Lebensrettende Sofortmaßnahmen unterbleiben bei weiblichen Herzinfarktpatienten öfter als bei Männern!

Zu dieser Erkenntnis kamen europäische Herzspezialisten im Rah-men einer von der Europäischen Union gesponserten Untersuchung über den Gebrauch der 'Thrombolyse (Gerinnselauflösung). Nur 69 Prozent der Frauen mit akutem Herzinfarkt bekamen die potentiell lebensrettende Behandlung - eine Auflösung des Blutgerinnsels in den Herzkranzgefäßen durch Medikamente.

In der Badiosendung „Dimensionen" in Öl meinte Internist Heinz Weber vom Kaiser Franz-Joseph Spital in Wien: „Das Bisiko, an Herzinfarkt zu sterben, ist bei Frauen wesentlich höher als bei Männern".

So lassen Ärzte oft wertvolle Zeit im Krankenhaus verstreichen. Laut EU-Studie bekommen Frauen erst Um durchschnittlich eine Viertelstunde später die lebensrettende Infusion als Männer.

Die Gründe dafür siehtWolfgang Enenkel, der „Badiodoktor" von Öl darin, daß

■ Ärzte bei Frauen nicht mit Herzinfarkt rechnen,

■ bei Frauen öfter als bei Männern ein atypischer Verlauf der Beschwerden festgestellt wird und

■ Frauen zu wenig ernst genommen werden.

Die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger appelliert deshalb an die zuständigen Ärzte, auch schüchterne Frauen in ihren Schilderungen ernst zu nehmen und nicht wegen Überbelastung, Klimakterium, typisch depressiv und hysterisch auf die Psychopharmakaschiene zu legen.

Auch Frauen selbst denken nicht gleich an einen Herzinfarkt. Eher fürchten sie sich vor Brust- oder Lungenkrebs. Viele verwechseln den Infarkt mit Magen oder Bückenschmerzen, oder auch Kreislaufbeschwerden und warten deshalb zu lange, bis sie die Rettung rufen.

Die Statistik spricht ebenfalls für sich: Jede fünfte Frau kommt erst zwölf Stunden nach einem Infarkt ins Krankenhaus. Jede dritte Frau stirbt, noch bevor sie das Krankenhaus erreicht hat. Die Gründe dafür sieht Wimmer-Puchinger in der Mentalität der Frauen. Ihrer Ansicht nach nehmen sich „Frauen als Person nicht so ernst und beißen eher die Zähne zusammen. Frauen tendieren dazu, ihre Schmerzen zu negieren und hinunterzuschlucken."

Daß Herzinfarkt als Todesursache Nummer eins rangiert, liegt mitunter auch daran, daß Herzinfarktpatientinnen mejst älter als ihre männlichen Leidensgenossen sind und sich die Risikofaktoren somit erhöhen. Die Innsbrucker Internistin Margarete Hochleitner berichtet aus ihrer Erfahrung, daß sich in weiterer Folge diese Faktoren natürlich fatal bei der entscheidenden Schlacht ums Intensivbett auswirken - die die Frauen meist verlieren.

Um diese Mißstände zu beseitigen plädiert Frauengesundheitsbeauftragte Wimmer-Puchinger für „eine ganzheitlichere Sichtweise" in der Medizin. „Wir müssen mehr zuhören, um Risikofaktoren rechtzeitig zu erkennen. Informationen müssen zudem klarer und deutlicher formuliert werden."

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