Den Strohkoffer ausgepackt

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In Krems ist der "Mythos Art Club" zu besichtigen - ein intimer Blick auf Österreichs Kunst der Nachkriegszeit.

Kriegsschutt über zerbombten Häusern, alliierte Truppen patrouillieren durchsWien der Nachkriegszeit, in den Köpfen geistern Relikte nationalsozialistischen Gedankenguts. Die Kunst liegt im posttraumatischen Koma, da steigt wie Phoenix der "Art Club" aus der Asche. 1947 gegründet, bezog die Künstlerformation rund um ihren schillernden Präsidenten Albert Paris Gütersloh 1951 den legendären "Strohkoffer", ein provisorisch mit Schilf verkleidetes Kellerlokal unter der Loosbar. Wander Bertoni, Maria Biljan-Bilger, Heinz Leinfellner, Hundertwasser, die fantastischen Realisten Hausner, Fuchs, Hutter, Lehmden, Brauer, Maria Lassnig, Arnulf Rainer: alle zog es hin, alle brachten Freunde mit, handschriftlich ergänzte Protokolle führten zwanglos Buch, wer hier ein und aus ging. Bis 1955 war der "Strohkoffer" eine Keimzelle fieberhafter Aktivität. Unzählige Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, spartenübergreifende, konspirative Künstlertreffen fanden statt, H.C. Artmann war Stammgast.

"Mythos Art Club", eine von Wolfgang Denk kuratierte Schau, zeigt nun in der Kunsthalle Krems die heterogene Produktion der Gruppe, die als "auseinander strebender Haufen von Erzindividualisten" bezeichnet wurde. Was bleibt vom Mythos fern von Schutt, Asche und Strohkoffer-Aura? Mit distanziertem, unverklärtem Blick betrachtet, wirkt vieles fahl, was im Schatten der Blut-und-Boden-Nazi-Ideologie Aufbruch bedeutete. Güterslohs Stillleben entpuppen sich als oberflächlich-detailverliebt. Opulente Ansammlungen von Dingen damaliger Sehnsucht: luxuriöse Blumen und Zierrat. Wolfgang Hutter: Narziss in Reinkultur, dem eigenen idealisierten Abbild huldigend.

Rohdiamanten, die im schnellen Ruhmesglanz des populären Hundertwasser und der fantastischen Realisten untergingen, lassen sich sehr wohl entdecken. Fritz Janschka gewinnt dem Surrealismus bitterböse Bissigkeit ab, Edgar Jenés "Porträt Paris Gütersloh" entbehrt idealisierend-eitler Sicht, sein "Sohn des Nordlichts" beeindruckt. Mühelos besteht Maria Biljan-Bilger die Nagelprobe der Zeit. Ihre Skulpturen und "Geburt meines Kindes" verbinden Archaisches mit Individuellem, nehmen die "Art brut" auf ihre Art vorweg. "Das Unendliche" von Greta Feist dringt in neue Gefilde der Malerei. In Bombennächten der Jahre 1943/44 zeichnete Susanne Wenger außerordentliche Blätter wie "Der monströse Hasenriese", "Die Mörderbestien."

Josef Mikl bricht Anfang der 50er zur dynamischen Gestik der Avantgarde auf, als der Art-Club in den letzten Zügen liegt, beginnt mit Maria Lassnig und Arnulf Rainer eine neue Ära jenseits des Geschmäcklerischen am Horizont. Die drei werden später in Monsignore Otto Mauers gleichfalls legendärer "Galerie nächst St. Stephan" heimisch. Der entkleidete "Mythos Art Club" entlarvt das Österreich der Nachkriegszeit: Erfolg hatte vor allem das Schöne und Angenehme. Höchste Zeit, sich dem anderen zuzuwenden.

Isabella Marboe

Mythos Art Club

Kunsthalle Krems

Franz Zeller Platz 3, 3500 Krems

Bis 7. September tägl. 10-18 Uhr

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