Die Kunst als Antwort auf den Krieg

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Hans Staudacher wendet sich mit seiner Kunst gegen eine zu rational gewordene Welt. Mit seinen Bildern, die mehr zum Einfühlen als zum Verstehen anregen, symbolisierte er die Zerissenheit der Nachkriegsjahre. Vor kurzem feierte er seinen 90. Geburtstag.

Man muss schon ein Dickkopf sein, um in Zeiten einer durchrationalisierten Welt gegen diese Verkopfung aller Lebensbereiche mit den Mitteln der Malerei anzukämpfen. Und das nicht nur in den aufmüpfigen Phasen während der Jugendzeit, sondern bis ins hohe Alter hinein. Hans Staudacher, der gerade das zarte Alter von neunzig Jahren erreicht hat, hat dieses Programm vorgelebt - beziehungsweise vorgemalt, was in seinem Fall allerdings ohnedies als das Gleiche gelten kann. Gleich mehrere Ausstellungen geben einen Einblick in diesen Werdegang, die Retrospektive "90 Jahre gegen den Strom“ bei Hilger Modern Contemporary ist bereits eröffnet.

In St. Urban am Ossiacher See begann Hans Staudacher seine Laufbahn, entließ er doch nach eigenen Aussagen bereits als Ungeborener seine ersten gestischen Malbewegungen in die Außenwelt. Der Schulbub schließt daran mit unbändigen Kritzelorgien an, mit denen er die Schulbank verschönert. Der Weg zum Maler war vorgezeichnet. Allerdings war der nächste Schritt nicht der Eintritt in eine Kunstakademie, sondern der Militärdienst während des Zweiten Weltkrieges. Die einzige Methode zur Bewältigung der dabei erlittenen Erfahrungen bestand für Staudacher in der Malerei. Eine akademische Ausbildung blieb ihm allerdings auch hinterher verwehrt.

Kunst als Antwort auf Kriegsgreuel

Der Werdegang von Hans Staudacher macht deutlich, wie sehr man sich als Künstler und näherhin als Maler alle wichtigen Fähigkeiten selbst beibringen muss, ganz egal, ob man nun eine Kunstakademie besucht hat oder nicht. Zwar gilt auch für Staudacher wie für alle anderen, dass wichtige Vorläufer - in seinem Fall etwa Egon Schiele oder die Vertreter des Nötscher Kreises - als Impulsgeber und Reibebäume dienen, die eigene Handschrift muss man sich aber selbst erarbeiten.

Als Kind seiner Zeit reiht er sich in jene Generation europäischer Kunstschaffender ein, die nach einer neuen visuellen Sprache suchten, um die eigene Zerrissenheit und jene der Nachkriegsjahre sichtbar machen zu können. Das Zurückdrängen von Bildfindungen, die vom Verstand durch viele kompositorische Vorarbeiten kontrolliert werden, lehnt sich unmittelbar gegen die Ordnungsvorstellungen der damals vorherrschenden Gesellschaftsordnung auf. Bereits der Dadaismus bearbeitete nach dem Ersten Weltkrieg in künstlerischer Form die ungeheure Tatsache, dass die vielgepriesene europäische Hochkultur zu jenen Gräueltaten fähig war. Die Erfahrungen mit dem Faschismus steigerten diese Unvereinbarkeit ins Uferlose. Wie sollte es da nicht zu einer neuerlichen Aufsprengung der naturalistischen Formen kommen? Statt der durch künstlerische Vernunft geleiteten Entwicklung von Naturabbildern machte sich auch Hans Staudacher auf die Suche nach einer neuen Ursprünglichkeit, die aus den spontanen Impulsen einer gestischen Malerei hervorbricht.

Malerei zum Einfühlen

Die Arbeiten von Hans Staudacher spreizen stachelige Oberflächen mit heftigen Linienmustern auf und fordern damit eher zu einem Einfühlen denn zu einem Verstehen der ins Bild gesetzten gesteigerten Anspannung auf. Diese Malerei konfrontiert die Betrachter nicht mit schnell durchschaubaren Formen von Geschrei und Aufbegehren, vielmehr erzeugt Staudaucher mit seinen Geflechten aus Farbstrichen ein Erregungsfeld, in das sich die Rezipienten hineinbegeben können, mit dessen Hilfe sie sich selbst einer lebendigen Ergriffenheit aussetzen können. Auch wenn die eingefügten Begriffe oder Wortreste zu einem verstandesmäßigen Nachdenkprozess einladen, so gehen die wesentlich stärkeren Impulse von jenen aus dem Handgelenk geschwungenen Strichkaskaden aus, die Beteiligung einfordern. Jene Beteiligung am "Ich-weiß-nicht-genau-was“, das in seiner Geheimnishaftigkeit aber unser aller Leben wie ein roter Faden durchzieht.

Hans Staudacher: 90 Jahre gegen den Strom

Galerie Ernst Hilger, Dorotheerg. 5, 1010 Wien

bis 22. Februar, Di-Fr, 11-18, Sa, 11-16 Uhr

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