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Abstraktionen in der Secession

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Die Secession zeigt Graphik und Malerei von Hans Staudacher Wien. Die Biographie im Katalog liest sich wie eine einzige Siegesmeldung: Eine 13 Zeilen lange Aufzählung berichtet von Ausstellungen in Sao Paulo, Pittsburgh, Venedig,

Cincinnati, Amsterdam, Neu-Delhi, Mailand, München, Paris, Boston — um nur die attraktivsten Orte anzuführen. — Wenn man dann die Ausstellung in der Friedrichstraße verläßt, nachdem man diese erdrückende Ansammlung gegenstandsloser Kunst, die wie von einem eifrigen Fließband über uns kommt, auf sich einwirken hat lassen und nachdem man in neun von zehn Secession-Ausstellungen Aehnliches, nahezu Identisches gesehen hat, überlegt man, ob das wahr sein darf. Die jahrelang — sei es bereitwillig, sei es unter Selbstverleugnung — entgegengebrachte Aufnahmebereitschaft rebelliert. Die Kreatur bäumt sich auf. Jetzt ist’s genug. Jetzt wissen wir es. Das Interesse ist erlahmt.

Hans Staudacher zeigt den typischen Einheitsstil der modernen Abstraktion: das Grundmotiv bilden geometrisch angeordnete, gespaltene, in unzählige Einzelteile zerlegte Flächen. Grau, Dunkelgrün, Schwarz. Der malerischen Bereicherung dienen, einem ästhetisch-intuitiven Zufallssystem gehorchend, Punkte, Kringel, Kleckse, Linien, Striche, Spiralen, Schadhaftigkeit vortäuschende Flecken. Blau, Weiß, Rot, Gelb in kleinerer, leuchtender Dosierung. Die Variation ist frei, ist tausendfach abwandelbar, stets von neuem komponierbar, je nach Lust und Stimmung und Bedarf. Staudacher kann noch zehntausend ähnliche Kompositionen herstellen es ist nur eine Frage der Zeit — und sie werden, da der pure Zufall regiert, voneinander abweichen, aber sie werden immer dieselbe stereotype Eintönigkeit zur Schau tragen und immer dasselbe ausdrücken, ob es sich nun um eine „Konfrontation" handelt, eine „Entwicklung von Weiß“ oder „Begegnung mit Rot“.

Der malerische Effekt ist oft sehr stark, diese oder jene Farbkomposition ist schön, da und dort ist eine Arabeske „gut gelöst“ — und Staudacher hat sich, als er mit Pinsel, Spachtel und Schaber umging wahrscheinlich etwas gedacht —, aber es läßt uns kalt, es berührt nicht, es ist für uns und für die Kunst völlig gegenstandslos, ob das Thema „A + B Entstehende Räume“ so oder anders aussieht, es ist für die Welt vollkommen gleichgültig, was Staudacher malt.

Maler von der geschäftstüchtigen Art Hans Staudachers haben — von den überschwenglichen Ermunterungen ihrer Atelier-Klientel abgesehen — bestenfalls die Chance, daß ihnen die gutwilligeren Betrachter zu denen wir uns zählen, um ihnen etwas Nettes und Gerechtes nachsagen zu können, gerne zubilligen, daß sie mitunter ihr Handwerk verstehen dasselbe Zugeständnis also, das auch dem Erzeuger eines naiv-naturalistischen „Alpenglühens" zukommt, sofern er mit der. F.qrb umzugehen: versteht: genau’das aber" ist der echten Schöpfung, von deren Progression die Staudachers so gerne reden, unwesentlichstes Merkmal, ja nahezu ihr rühmloses Ende. Es bleibt dabei: Eine ästhetische Anordnung von Flächen und Arabesken, von der sich nichts weiter sagen läßt, als daß sie „gut gelöst“ oder „gekonnt“ ist, wie das so schön heißt, ist für die Kunst Liebermanns, Klees, Kandinskys, Picassos oder Chagalls ebenso belanglos wie das dumme „Alpenglühen“. Beides ist absolut sinnlos, absolut eitel, effekthascherisch, auf sich bezogen. Nur gewinnbringend ist beides, wie man weiß.

Wie kraß und augenfällig der Unterschied dieser Dutzende von Kunstharzblättern und Oelschwarten aller Größen und Formate zu den nicht minder abstrakten Graphiken von Luigi S p a c a 1 Triest, die in den beiden kleineren Räumen der Secession untergebracht sind: Hier ist schöpferischer Einfallsreichtum, hier ist die echte, nachgefühlte, der Natur abgeschaute Konstruktion zu finden und keine Ateliervision zu Höchstpreisen; diese flächigen, freundlichen, von inwendigen Ordnungsmaßen beherrschten Kompositionen sind wirklichkeitsbezogen, sind Schilderungen ins Geistige, ins Prinzipielle, ins Wesentliche aufgelöster Gegenstände. Hier ist ein Schöpfungsprozeß spürbar, nicht bloß eigenwilligeitle Paraphrasierung. Man fühlt das Thema, man empfindet das Dargestellte — sei es die Mechanik eines Gerüsts, sei es die Atmosphäre einer ins innere Erleben projizierten Sonnenlandschaft. Hier ist ein seriöser Komponist am Werke.

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