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Kunst aus Kopf und Zettelkasten

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„Ich kann nicht im geringsten einse- hen, warum die Literatur das Wort für sich gepachtet haben sollte” schrieb Michael Badura, 37, einer der interessantesten deutschen Avantgardekünstler aus der kleinen Gruppe derer, die sich mit der Umsetzung von Wort- in Büdgeschichten befassen. „Story-Art”, also Kirnst, die Geschichten optisch formt, ist inzwischen in den letzten Jahren rasch zu einem vieldiskutierten Gebiet, einem Zwischen- und Randbereich in der weiteren Nachfolge von experimentellen Happenings, Aktionismus, aber auch esoterischen Mal- und Zeichenbereichen avanciert.

Badpras Arbeiten wie auch die anderer Bildgeschichten-Künstler wurden fürs erste über Münchens Galerie „Art in progress” auf dem internationalen Kunstmarkt vertrieben: Jochen Gerz zum Beispiel machte so seinen internationalen Weg. Baduras Spezialität sind nun „Krimis”, die er in der Galerie nächst Sankt Stephan zeigt: Fakten, Zitatenmaterial, Entschlüsselungen von Skizzenwerk, Plänen, Wasser- und Giftproben … alles häuft er mit ungeheurer Akribie auf. Ein Requisitarium banalen Beweismaterials, das zu fortlaufenden Tableauserien montiert wird. Und in seinen „Zettelkästen”, die in ihrem Anspruch manchmal an James Joyces lexikographische und enzyklopädische Materialien erinnern, geht er den Weg kritisch-distanzierender Ironie: kunstvoll hochstilisierte Verbalisierungen werden analysiert, auf Herz und Nieren geprüft, bis sie in Bestand- teüe zerfallen. Kunst der Demontage, gewürzt mit raffinierten syntaktischen und analytischen Tricks. Badura wird man sich auch in Österreich merken müssen, vor allem als Schlüsselfigur für vieles, das in den nächsten Jahren in diesem intellektuellen „Zwischenbereich” sich hier ereignen könnte.

Ein österreichischer Künstler, der lang auf der Welle der „Wirklichkei- ten”-Gruppe des Wiener Exkunstkritikers Otto Breicha mitschwamm, hat nun endlich konsequent „seinen” Weg eingeschlagen: Kurt Kappa Kocherscheidt, 33, ein Klagenfurter, der mit „Wirklichkeiten”-Maler Peter Pon- gratz die Leidenschaft für Geologisches und Zoologisches teilte, hat nach seinen Südamerikareisen sich vor allem auf einfache Naturstudien, Analysen der Naturformen konzentriert. Und jetzt zeigt er in der Galerie Scha- pira & Beck (Ballgasse 6) diese Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen. Eine erdigbraune, grausepiagetönte Welt der schwerfällig klotzigen Dinge. Felsstücke, Pflanzenwerk, Insekten lagern da ungeschlacht, wie für ewige Zeiten festgehalten. Aber trotz dieser dumpfen Farben - sie erinnern manchmal an Benys oder Pichler - scheinen diese Bilder und Blätter nie von Melancholie oder Düsternis gedrückt. Eine fast’ biedermeierliche Leichtigkeit, Einfachheit und Lustigkeit prägt sie.

Aggressiv gebärdet sich der Spanier Dario Villalba, 37, dessen Arbeiten im Wiener KunsÜerhaus und in der Galerie Gras (Cjrünangergasse 6), zu sehen sind. Ein Arrangeur unendlicher Tristesse, ewiger Schmerzen und des Vorstoßes in die tödliche Leere. Villalba will mit seinen Fotovorlagen vor allem den Betrachter betroffen machen, erschüttern. Es geht ihm nicht so sehr Um „Kunstwerke”, denen „Werte” nachzusagen sind, sondern um das Engagiertsqin, um das Wecken des Gefühls von Mitverantwortung für das Los derer, die in geschlossenen Anstalten gehalten werden, die vegetieren, dahinsiechen … Und keine Frage, daß Villalba damit auf der Pariser Biennale (1970) und in Sao Paolo (1973) Erfolg hatte und damit seinen Weg auf den internationalen Kunstmarkt fand.

Nur kann man sich eines Eindrucks nicht erwehren: daß da mancher Schock, manche Aggressionsentladung, mit der Geisteskranke in ihrer psychischen und physischen Verelendung vorgeführt werden, doch auch als Nervenkitzel verkauft werden. Und das ist leider nicht mehr als eine Mode, die auch mit jedem billigen Filmschocker ihren Vertretern klingende Münze in die Kasse spielt.

„Köpfe” aller Spielarten, Köpfe, die als Blöcke behandelt werden, Blöcke, die in ihrem Zwang zum Ausdruck vorgeführt werden, Köpfe, die „das Archetypische, das Zentrum der menschlichen Persönlichkeit spiegeln und das Zentrum unserer Empfindungswelt sind …”: Das zeigt Adolf Frohner, der international erfolgreiche Wiener Maler und Professor an der „Angewandten”, in seiner Ausstellung in der Galerie Contact, Mahlerstraße. Zugleich ist es ein Querschnitt durch Frohners Entwicklung. Denn seit seinen frühen Materialbildern in den sechziger Jahren ist er immer wieder auf Kopfstudien zurückgekommen: War es damals ein Holzklotz, den er grob ergänzte und später in der Phase seiner aktivistischen „Matratzenbilder” ein wildes dichtes Gestrichel, mit dem gewisse Zonen des Kopfes modelliert wurden, so sind es heute die konfektionierten „Gebrauchsmenschen” der Konsum- und Illustriertenwelt, die er mit kritischem Blick abtastet. Neuestes Stadium: Zwei sehenswert^- Bronzeköpfe, die Frohner vorerst in einer Auflage von 27 Stück gießen ließ.

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