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Bischoffshausen in der Secession

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Neue Ära in der Wiener Secession: Hausherr Hermann Pai- nitz startet sein Programm mit einem sehenswerten Längsschnitt durch Hans Bischoffshausens malerisches Werk im Parterre, im ersten Stock mit spielerischen Arbeiten des Bad- -Ischlers Tassilo Blittersdorf und im Keller mit Knallig-Buntem von Alfred Ciesielski. Im Ganzen: ein Haus voll von Bildern. Nur von einer Programmatik oder einem Konzept des neuen Präsidenten ist gleich von Anfang an wenig zu merken.

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Neue Ära in der Wiener Secession: Hausherr Hermann Pai- nitz startet sein Programm mit einem sehenswerten Längsschnitt durch Hans Bischoffshausens malerisches Werk im Parterre, im ersten Stock mit spielerischen Arbeiten des Bad- -Ischlers Tassilo Blittersdorf und im Keller mit Knallig-Buntem von Alfred Ciesielski. Im Ganzen: ein Haus voll von Bildern. Nur von einer Programmatik oder einem Konzept des neuen Präsidenten ist gleich von Anfang an wenig zu merken.

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Bischoffshausen, in den fünfziger Jahren heftig umstritten, als er bei Monsignore Mauer in der Galerie nächst Sankt Stephan seine provozierenden Bildtafeln ausstellte, ist ein Fünfziger geworden. Es ist auch um sein trotz aller inneren Stille einst so heftig befehdetes Werk ruhig geworden. Die Tage des Informel und des abstrakten Expressionismus sind weit weggerückt, ganz andere Probleme beschäftigen heute die Kunstszene: Fragen der Wirklichkeit, der Abbildung von Wirklichkeit und des Neuschaffens von Wirklichkeit im Bild (und man wird nun einmal ganz schön lange warten müssen, ehe Informel und Abstrakte wieder in irgendeiner neuen Ausformung zum aktuellen Problem werden).

Das heißt: Bischoffshausen ragt mit seinen weißen Strukturflächen, die längst Impressionismus, Kubismus, Paul Klee, Lucio Fontana und Antoni Tapiės hinter sich gelassen haben, als Avantgarde von Anno 50 in unsere Kunstszene. Eine eigenwillige Persönlichkeit, ein Künstler von internationalem Anspruch: Sein Weg vom analytischen und synthetischen Kubismus bis zur Zero-Gruppe (Uecker, Manzo- ni, Yves Klein, Mack, Piene, Schoon- hoven) und zum „Gleichziehen“ mit Tapiės, Fautrier, Matthieu, Fontana und über sie hinaus ist in der sehenswerten Secessionsschau abzulesen.

Die in den Farben fein nuancierte Abstraktion, die Affinität zu Materialien, das Auskosten freien Formenspiels und die zeitweise Einbeziehung dės seriellen Prinzips in die Gestaltung der Fläche haben diese Arbeiten geprägt. Es ist dabei aber stets eine leise, ganz nach innen gerichtete Malerei geblieben. Zart getönte oder überhaupt nur weiße Reliefs, in denen sich Bischoffshausen an die Gestaltung von Kontrasten innerhalb von Weiß macht. Durch Flächen, die in feinste Strukturelemente aufgelöst werden. Das meditative Element ist bei keinem dieser Bilder zu übersehen: von „Zeichen der Stille und Kontemplation“ spricht etwa Peter Baum in seinem Katalogvorwort, von .Aufrufen zur inneren Einkehr“ sprach einst Bischoffshausens mutiger Verfechter Monsignore Mauer.

Bis 1971 hat Bischoffshausen in Paris an die 200 Bilder und über 1200 Graphiken geschaffen. Die Arbeit mit Polychloräthylen hatte indessen ver heerende Gesundheitsschädigungen zur Folge. Mit Sehnervstörungen, kehrte er 1971 heim nach Villach. Er wandte sich in gewisser Weise wieder seinen „Gebetstafeln“ von 1961 und 1962 zu.

Malerei - als „Frage der Haltung, nicht der Artistik“ … Das ist für Bi- schoffshausen charakteristisch. Ein immer wieder mögliches Anknüpfen an frühere Ansätze, ein immer neues Überdenken von früheren Haltungen und alten Konzeptionen … Man kann sich von einem so kritisch und selbstkritisch eingestellten Künstler noch einiges erwarten.

Bescheidener gibt sich Tassilo Blit- tersdorf (29) mit seinen seriellen und symbolischen Spielen. Freies Spiel von Assoziationen. Ein „Aufblasbarer Berg“, ein „Hutberg“, „Körperberge“ … alles, was Blittersdorf zum Wort „Berg“ einfällt, wird in Zeichen umgesetzt. Ein lustiges Symbolspiel, über dessen Wert man wirklich nicht streiten muß … Aber immerhin verständlich, daß diese puristische Spielerei’in manchen italienischen Galerien Anhänger findet.

Buchstäblich in den Keller gerät man bei Ciesielski. Einzige Überraschung: daß im Secessionskeller auch noch Sand ausgestreut wurde! Vielleicht, um das zornige Aufstampfen mancher Besucher zu dämpfen, die sich ärgern, daß sie da hinuntergeklettert sind? Knalliger Neodada, ein paar Collagen. Im ganzen: oberflächliche Stilisierungen.

Bauernpop hat Robert Zeppel-Sperl früher gemalt: bunt, erfrischend, Figuren mit Kulleraugen, fesche, resche Damen mit kugeligen Reizen, lustige Phantasiegeschöpfe. Daran hat sich nicht viel geändert. Auch heute lugen in der Wiener „Stadtgalerie“ (Führichgasse) die glutäugigen Schönen durchs Lianengedränge und aus ihrem maiblumigen Fenster, staunen kazikische Männchen und ihre fröhlichen Hausleoparden, wedelt der Freund des wohlfrisierten Löwen durch die Landschaft. Sie geben sich noch immer chic und lustig. Aber allmählich ist Zeppel-Sperl diese Lustigkeit etwas gefroren. Ein mit reicher Phantasie Begabter schöpft da sein Repertoire aus, in dem er wie in einer Spielzeugschachtel kramt und mal diese, mal jene Spielzeugfigur herausholt. Eigentlich schade, daß er so gar keine kritische Einstellung entwickelt hat und daß er diese an naive Märchenmalerei grenzenden Bilder nie mit einem Schuß Ironie verpackt. Es täte den Bildern sehr gut. Es könnte Zeppel-Sperl vielleicht einen Schritt weiterbringen. Und hinter den Bildern würde noch anderes spürbar, als bloß der Spaß an einer bunt schillernden Märchenwelt, in der im Grunde jedes Ding für irgendein anderes stehen kann.

Alfred Kubin ist eine sehenswerte Ausstellung in der Galerie „Ariadne“ (Bäckerstraße 6) gewidmet: Sie belegt - etwas locker - Kubins Zeichenstil von 1900 bis zur Mitte der dreißiger Jahre. Einen Prozeß ständigen Verdichtens des „gezeichneten Wortes“, das sich an Morbidem, an satanischen Geschöpfen, an abgründigen Traumlandschaften und fast barock anmutenden Allegorien des Todes be rauscht. Und doch: Kubin hat nie rauschhaft gezeichnet. Selbst dort, wo er mit erstaunlicher Besessenheit, mit dichtem tiefschwarzem Federgestri- chel, mit meisterhafter Spritztechnik über das Blatt „herfällt“, um seine dämonische Welt neu zu erschaffen, bleibt die sichere Technik der Komposition spürbar. Die Dichte, mit der die Einfälle ihn bedrängten, deren er sich zeichnerisch erwehrte, wirkt stets perfekt domestiziert.

Die Galerie Ariadne zeigt jedenfalls ein paar hervorragende Arbeiten: darunter einen besonders interessanten Entwurf zur „Anderen Seite“, Kubins Meisterroman, der für die Surrealisten zu einem Schlüsselwerk moderner Literatur wurde, daneben thematisch aufregende Zeichnungen zu Stuck (1920/21), Lithos zu Strindbergs „Tschandala“, Federzeichnungen zu des Dichters „Nach Damaskus“. Meisterhaft versponnene Blätter, Veduten, in denen das Makabre sich zum Visionären steigert.

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