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Ängste in Kunst umgesetzt

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Es war sehr lange still um Bruno Gironcoli, den Eigenbrötler der Wiener Kunstszene. Er hat in den letzten Jahren vor allem in der Stille, in seinem Keller in der Lerchenfelderstraße, gearbeitet: an seinen monumentalen Objekten und Raumgestaltungen, seinen Blättern, die noch immer wie Materialstudien und Situationsskizzen zu den Großprojekten wirken; und vor allem wohl an sich selbst.

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Es war sehr lange still um Bruno Gironcoli, den Eigenbrötler der Wiener Kunstszene. Er hat in den letzten Jahren vor allem in der Stille, in seinem Keller in der Lerchenfelderstraße, gearbeitet: an seinen monumentalen Objekten und Raumgestaltungen, seinen Blättern, die noch immer wie Materialstudien und Situationsskizzen zu den Großprojekten wirken; und vor allem wohl an sich selbst.

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Denn wenn ich Gironcolis Entwicklung der letzten Jahre - wie sie sich nun im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts darstellt - Revue passieren lasse, hat er sich vor allem von manchen Ängsten, Zwängen und Agressionen, von den „gefährlichen“ Empfindungen freizuarbeiten versucht. Das Widerborstige, die Härte der Formen, die seine frühen Arbeiten so unverwechselbar machte, ist einer handwerklichen Sicherheit gewichen. Aber äuch ästhetische Perfektion spielt entscheidend mit, die ihn sein Requisitarium wie einen Virtuosen handhaben läßt. Jetzt tritt er für zwei Jahre eine Gastprofessur an der Wiener Akademie der bildenden Künste an, nachdem ihm die Nachfolge auf Fritz Wotrubas Professorensessel verwehrt blieb.

Als Bruno Gironcoli, 1936 in Villach geboren und an der Wiener „Angewandten“ Schüler Professor Bäumers, zu Beginn der sechziger Jahre unter dem Eindruck der Figuren Giacomettis seine ersten Objekte fertigte, schien er mir einer der aufregendsten Künstler der österreichischen Szene. Ein zutiefst unkonzilianter, in seine Vorstellungen versponnener Künstler, der damals aus Eisendraht, Stangenwerk und Holzlatten surreal inspirierte Kopfgerüste und Schaufelkörper, aus Gips und Polyester Schaufelköpfe und Keulenfiguren nagelte, verspannte, modellierte.

Die frühesten Skizzen, mit subtilem Geschmack aquarellierte oder mit Kugelschreiber und Buntstiften kraftvoll gearbeitete Blätter von hohem Reiz, kehrten bereits Gironcolis Eigenheiten hervor: etwa wie sehr ihn technische Requisiten faszinierten; welche tiefe Bedeutung „Verspannungen“ und Kabel, diese Versuche, einerseits Räume abzugrenzen und andererseits Isolationen zu überwinden, für ihn haben sollten; dazu die Sensation einer unverwechselbaren Farbenpalette, deren Metaliseekühle sich bis heute durch Gironcolis Werk zieht; oder den Maschinen-, Instrumenten- und Requisitencharakter vieler Objekte, hinter dem sich einerseits Gironcolis Flucht vor dem Menschenbild verbirgt - Menschen erinnern auf seinen Blättern stets an durchgepauste Klischeefiguren! -, anderseits seine Begeisterung für Rituale ausdrückt.

Daß da gelegentlich auch politische Symbole auftauchten und noch auftauchen - ein Hakenkreuz in einer Messingschale etwa —, soll hingegen keine „politische Bindung“ ausdrük- ken. Gironcoli hat selbst daraus nie ein Geheimnis gemacht, daß es ihm in der Kunst um kein gesellschaftspolitisches Engagement, weder „Links“ noch „Rechts“ geht, sondern eigentlich am ehesten um seine private Aversion gegen den Faschismus, um private politische Empfindungen, die eher wenig determiniert sind.

Der Weg Gironcolis seit etwa 1962 brachte für den aufmerksamen Beqb- achter immer wieder Überraschungen: Neben den Drahtgebilden entstanden jene silbern und kupfern schimmernden Monolithobjekte, Särge und Diwane, die damals das Publikum nächst Sankt Stephan durch die rüde Form und die „brutale Schönheit“ gewaltig schockierten (einzelnes, eigentlich viel zu wenig, ist davon im Museum des 20. Jahrhun-

derts zu sehen). Und danach setzte natürlich die Differenzierung ein: der Schritt von den Einzelobjekten zum Ambiente folgte logischerweise. Die Bewältigung des Raums wurde Thema. Und so wie etwa Walter Pichler in seinen Objekten sich einen Mythos von Material und Form schuf, wagte auch Gironcoli den Schritt weg vom „neutralen“ Polyester hin zu Materialien, denen sozusagen symbolische Kraft eigen ist. Zu Materialien, die seine private Symbolik, seine privaten Assoziationen und Metaphern, seine private Mythologie verdeutlichen.

Ein Rundgang durch die Hallen des Museums im Schweizergarten genügt, um Atmosphäre und Eigenheiten dieses Kults des Materials nachzuempfinden. Diese Freude an stachligen Messinggeräten und - rohren, den Reiz, den Metallvögel auf Holzsockeln haben, oder von weißen Lilien neben To- desrequisiten … Ein Hauch von Gruselkabinettatmosphäre schwingt mit, der (auch erotischen) Bizarrerie.

Gironcoli schafft Theatralisches, wobei Requisiten und Ritualgeräte stets eine stumme Aura erzeugen: die Aura der Angst. Angst scheint das unausgesprochene Reizwort zu sein.

Auskosten der Angst, die nach Giron- colis ästhetischem Kanon umgesetzt wird. Und der zu Ehren Gironcoli immer neue Ambientekompositionen baut.

Allerdings, aus den ersten, etwas brutalen, schockierenden Raumgestaltungen sind längst ästhetisch perfekte, ausgeklügelte Objektarrangements geworden. Und gerade Riesenobjekte wie der „Große Broncetisch“ (Photo), der mit seiner Vogelgalerie Trubbianis Vogelzirkus kaum nachsteht, sind vorwiegend private Metha- phern, vor denen man eher teilnahmslos steht Aüch wenn man ihre „Eleganz“ (im wahrsten Sinn des Wortes) bewundert, auch wenn man das Arrangement originell findet Metaphern, die sich im Grunde beliebig und austauschbar produzieren lassen.

Um wieviel stärker erweist sich doch da Gironcoli in den Blättern, in denen das Spiel der Phantasie, der Formen, Farben und Assoziationen noch frei wirkt (auch wenn er selbst diese Blätter gegenüber den Objekten stets als Ersatzhandlung qualifizierte).

Denn dort sprühen aus den Drähten noch Funken, dort Rosten zittrige gesichtslose Wesen, gekrümmte Kreaturen, ihre Elektroschocks aus, zelebrieren sie ihren Horrorritus. Und da wirkt noch nicht die monströse Verfestigung, diese Routine des Abseitigen,

dieser Hauch gefrorenen Horrors.

Verständlich übrigens, daß mancher im Publikum gern etwas Gescheites über diese Arbeiten schwarz auf weiß nachgelesen hätte.' Doch da gibt’s im „Zwanzgerhaus“ großes Bedauern. Außer dreißig Katalogen, die an die Presse ausgegeben wurden, liegen vorerst noch keine auf. Ist das Informationsdienst am Kunden, der gern mehr über einen Künstler wissen möchte?

*

Ein viel intimeres Kunstereignis, aber doch eine Attraktion, beschert die Galerie Contact in der Mahlerstraße: Karl Korab zeigt dort Aquarelle, die - wer weiß, ob zur Freude der Sammler und Kunsthändler - einiges dem eingefahrenen Korab-Klischee am Zeug flicken. Korab-Formen scheinen da ungemein gekonnt ins Abstrakte abgewandelt. Locker hingepinselt, duftige Arbeiten, die den sonst mit festen Formen und „dichten“ Farben Arbeitenden von einer neuen Seite zeigen. Ob da ein neuer „Korab-Stil“ entsteht, bleibt abzuwarten.

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