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Mut zur Leere haben

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Erfolge über Erfolge verzeichnet der junge österreichische Plastiker Bruno Gironcoli (Jahrgang 1936, aus Villach gebürtig). Freilich vorwiegend im Ausland, wo man sich um ihn reißt. Wie zum Beispiel vor kurzem in seinen fast ausverkauften Ausstellungen in Karlsruhe, Baden-Baden und im Saarland. Die Galerie Müller will seine Arbeiten noch heuer in Stuttgart und Köln präsentieren, Appel verpflichtete ihn für den repräsentativen Kölner Kunstmarkt (Oktober 1970), das Osterreichische Kulturinstitut in Rom meldete sich fürs nächste Jahr an. In der Galerie Heide Hildebrand in Klagenfurt geht eben eine Gironcoli-Schau zu Ende und für 1971 will Dr. Skreiner vom Joanneum ihn nach Graz holen. Gironcolis Wiener Ausstellungen, vor allem in der Galerie nächst St. Stephan und eine von Dr. Alfred Schmeller im Museum des 20. Jahrhunderts improvisierte, haben da vergleichsweise wenig Wellen geschlagen, wiewohl sie zu den wichtigsten, am weitesten in die Zukunft weisenden zählten, in denen junge Österreicher ihr plastisches Oeuvre vorstellten.

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Erfolge über Erfolge verzeichnet der junge österreichische Plastiker Bruno Gironcoli (Jahrgang 1936, aus Villach gebürtig). Freilich vorwiegend im Ausland, wo man sich um ihn reißt. Wie zum Beispiel vor kurzem in seinen fast ausverkauften Ausstellungen in Karlsruhe, Baden-Baden und im Saarland. Die Galerie Müller will seine Arbeiten noch heuer in Stuttgart und Köln präsentieren, Appel verpflichtete ihn für den repräsentativen Kölner Kunstmarkt (Oktober 1970), das Osterreichische Kulturinstitut in Rom meldete sich fürs nächste Jahr an. In der Galerie Heide Hildebrand in Klagenfurt geht eben eine Gironcoli-Schau zu Ende und für 1971 will Dr. Skreiner vom Joanneum ihn nach Graz holen. Gironcolis Wiener Ausstellungen, vor allem in der Galerie nächst St. Stephan und eine von Dr. Alfred Schmeller im Museum des 20. Jahrhunderts improvisierte, haben da vergleichsweise wenig Wellen geschlagen, wiewohl sie zu den wichtigsten, am weitesten in die Zukunft weisenden zählten, in denen junge Österreicher ihr plastisches Oeuvre vorstellten.

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Sieben Jahre hat Gironcoli seine Arbeiten in aller Stille entwickelt: 1963 waren es noch Köpfe und Gestaltenrelikte, die er in einer leicht an Giacometti erinnernden Manier aufs Blatt strichelte. Das Rastrieren, eine Art Auflösung von Kopf- und Rumpfformen in Innenverspannun-gen aus Draht, beschäftigten ihn fast zwei Jahre. Bis er Routine im räumlichen Denken erworben hatte. Quasi als Reaktion wandte er sich Blecharbeiten, raumgreifenden

Schaufelgebilden, verspannten Rahmen mit Fangarmen zu. Schließlich lag der Griff nach leichteren Materialien, nach Polyester und Karton, nahe. Plastische Werte wurden immer mehr reduziert. Großformatige, bewegliche Goldformen entstanden. „Es bedurfte einer Mutprobe, auch noch die Angst vor der Leere zu überwinden, den Raum zu gewinnen. Erst danach gewann das Ensemble von Objekten im Raum seine eigentliche Bedeutung.. .'„Weg von der Plastik“ ist heute für Gironcoli eine Art Devise. Die Handlung, das Ereignis — im Zusammenhang mit dem Zeitablauf — spielt keine Rolle mehr. „Die Kulisse, die ich aufbaue, ist selbst Handlung und Ereignis.“

Es ist eine Art theatralischer Aktivität, die ihm vorschwebt. „Das Arrangement zwischen Person und Objekt und wie weit sie einander bestimmen können, entscheidet... Objekte vegetieren nicht mehr trag für sich, passiv, sie sind nicht mehr isolierte Plastiken, die zusammenhanglos in einen Raum gestellt werden, sondern sie simulieren selbst Handlung, sie deuten auf etwas hin...“ Das Schaffen räumlich-plastischer Sachverhalte schließt freilich viel Arbeit auf dem Papier ein. Aber das graphische Moment hat Gironcoli in diesem Fall am wenigsten im Sinn. Wie apart und reizvoll auch fast alle seine Zeichnungen aussehen mögen. „Auch die besten Blätter sind eine Ersatzhandlung für die Arbeit am Objekt. Auf das hübsche Arrangement wie bei einer Auslage kommt es nicht an... Ich fabriziere ja keine Dekorationsstücke!“ Eine Haltung, die gewiß generell für die herbe Sachlichkeit semer Objekte mitverantwortlich ist.

Neue Akzente hat Gironcoli vor allem in der fast surrealen Koppelung von einander fremden Dingen gefunden: „Über das surreale Moment kommt man natürlich nicht hinweg. Aber meine .Szenen' sind in ihrer Gesamtheit wie im Detail künstlerisch durchgestaltet, ich kann Vorfabriziertes, Nähmaschinen und Regenschirme, die einander auf einem Operationstisch begegnen, nicht gebrauchen. Insofern setze ich meine Arbeiten sehr klar gegen den historischen Surrealismus ab.“

Von „verhinderter, frustrierter Aktivität“ spricht Gironcoli bei seinen Objekten immer wieder. Es ist eine visuelle Begegnimg mit möglichen Aktivitäten. „Sie verharren alle so sehr in sich. Erst die Beziehung zu anderen Objekten und zum Umraum schaffen die .Handlung'. Aber manchmal scheint mir vieles noch zu undeutlich. Zu viele Verbindlichkeiten belasten die künstlerische Arbeit wie den Produktionsprozeß. Ich bewundere zum Beispiel Jean Genet, wie er Konventionen abstreift, mit jedem seiner Sprachbilder geradezu gewalttätig deutlich wird ... Hauptproblem ist für mich jedenfalls, wie ich mich fern aller Phrasen vollziehen kann, wie man zurecht kommt. Allerdings, man opfert sich heute nicht mehr für ein Kunstwerk; vor allem weil es zuwenig Widerstand bietet.“

Nur vor der Frage nach der vielbemühten politischen und gesellschaftlichen Relevanz der Kunst hat Gironcoli etwas Angst. „Ich sehe noch gar keinen geeigneten Weg des Einsatzes. Man muß schließlich wissen, warum und mit wem man konform geht. Vielleicht wird sich der Zustand ändern, je bewußter man sich wird ... Aber es gibt ja vorderhand auch noch keinen Grund, das .Kunstwerk' selbst aufzugeben, nur weil so viele den Tod der Kunst prophezeien!“

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