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Leon Zelmans Uberleben und Leben

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Wien kannte Leon Zelman als Leiter der Israel-Abteilung des Verkehrsbüros, Präsidenten des Jewish Welcome Service, Organisator der Besuche vertriebener Juden aus aller Welt. Nun erzählte er in Zusammenarbeit mit Armin Thurnher sein Leben. 1928 geboren, wuchs er im polnisch-schlesischen Schtetl Szczekociny im traditionellen jüdisch-orthodoxen Milieu, gegen das die Jugend rebellierte, auf. Schön schildert er das von Träumen und Sehnsüchten geprägte Leben der Juden, seiner Verwandtschaft, von der niemand überlebte.

Leon Zelman erlebte Schrecken und Hunger des Lodzer Ghettos, wo vor dem Krieg eine der größten jüdischen Gemeinden Europas lebte. Sein Leben verdankt er dem umstrittenen Judenältesten Chaim Bumkowski, seine Mutter wurde, als er 14 Jahre alt war, deportiert und ermordet. Selbst

heute fällt es ihm schwer, über Rum-kowski, der in Auschwitz starb, zu urteilen. Von Lodz kamen die Brüder nach Auschwitz, später nach Falkenberg, von dort auf einen Todesmarsch, den der Bruder nicht überlebte. Als Zelman im KZ Ebensee befreit wurde, war er 17 Jahre alt, 178 Zentimeter groß und wog 38 Kilo.

Die Überlebenden wollten weg, so weit wie möglich, sie fühlten „weder Haß noch Lust auf Bache", sondern sich nur sehr fremd. Wegen seiner Tuberkulose wurde Zelman die Einreise in die USA verweigert. Als Präsident der Jüdischen Hochschüler gründete er 1951 „Das jüdische Echo", aus dem ein Jahrbuch hervorging, zu dem auch prominente nichtjüdische Autoren beitrugen und das er bis heute herausgibt.

Die „Überwindung des Hitlerregimes durch Lebenspraxis" war seine Devise, die sozialistische Partei seine politische Heimat, unter den katholischen Intellektuellen fand er wichti-i

ge Gesprächspartner, darunter August Maria Knoll und Friedrich Heer. Ihnen verdankt er ironischerweise sein „Interesse am Judentum auch auf einer geistigen Ebene": „Hitler... wollte die judenreine Stadt. Ich wollte eine stolze, selbstbewußte und menschliche jüdische Gemeinde, keine angepaßten Kriecher, geduldeten Duckmäuser und sturen Bürokraten."

Durch die Waldheim-Affäre erkannte er, daß er das antisemitische Österreich und die Stimmung gegen die Juden verdrängt hatte. Heute weiß er, wie wenig sich Politiker, die bei jüdischen Gedenkfeiern schöne Beden hielten, konkret für die Juden interessierten. Er bekennt ehrlich seine Illusionen.

Ein schönes, rührendes, äußerst lesenswertes Buch.

EIN LEBEN NACH DEM ÜBERLEBEN

I on Leon Zelman Mp Aufgezeichnet von Armin Thurnher

I erlag Kremayr <£• Scheriau, Wienl995 w— 224Seiten, geb., öS298,-

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