6746594-1967_11_08.jpg
Digital In Arbeit

Südamerika: Himmel und Hölle

Werbung
Werbung
Werbung

Es war um die letzte Jahreswende. Die Bewohner von Beiern, Hauptstadt des brasilianischen Staates Parä, das an der Mündung des Amazonas liegt, trauten ihren Augen nicht, als im Hafen von einem Überseedampfer einige tausend Tonnen schwere nordamerikanische Straßenbaumaschinen auf einen Zug von Leichtern für Peru umgeladen wurden. Bald darauf erschien wieder ein Schiff und wieder eines. Endlich glaubten die Balemer an das Abenteuer des peruanischen Präsidenten Belaunde, der den Amazonas erschließen will. Die Zeitungen in ^Beiern berichten seither mit Schlagzeilen über den Zauberer, der es, erst drei Jahre am Ruder, fertigbrachte, die Peruaner aus den Gräbern ihrer indianischen Indolenz zu locken. „Lima, die Hauptstadt, hat er in einen Bauplatz verwandelt“, meldet der „Correio“. Zwanzigtausend Arbeiterhäuser — die landwirtschaftliche Anbaufläche wird um eine Million vergrößert: Dollar und DM und Franken fließen in das Land der Inkas. Mercedes-Benz, Volkswagen und Ford fahren in Lima. Ein Straßenbauprojekt wurde gestartet von 3200 Kilometer über die Anden hinaus bis an die östlichen Grenzen.

Dieser Plan hätte die Brasilianer nicht alarmiert, wenn Belaunde die Erschließung des Amazonas nicht zum nationalen Programm erhoben hätte. Sie hatten vergessen, daß die Quellen des größten Strombeckens der Erde vier Staaten gehören: Kolumbien, Ekuador, Peru und Bolivien. Eines Tages konnten die Brasilianer in ihrer Zeitung lesen: „Belaunde will Brasilien trockenlegen. Er kehrt die Flüsse, die von den Anden seit 100.000 Jahren nach Osten in den Amazonas fließen, durch kilometerlange Tunnels nach dem Stillen Ozean. Eine wahre Herausforderung!“

In Wahrheit forderte der peruanische Präsident nur die Natur heraus, die die Küste am Stillen Ozean zu einer Wüste erniedrigt. Die Flüsse, die in den Anden Perus entspringen, werden auf ihrem neuen Wege zuerst einige 100.000 Kilowatt Strom liefern müssen und dann die Wüste im Westen in fruchtbares Ackerland verwandeln. Nicht genug, Belaunde gelang es, seine Nachbarn, Kolumbien, Ekuador und Bolivien, zu einem ebenso gigantischen Unternehmen zusammenzuschließen. Der Vertrag wurde letztes Jahr unterzeichnet: Eine Straße von 5600 Kilometer Länge soll die vier Andenländer verbinden. Kostenaufwand 650 Millionen US Dollar, sieben Millionen Hektar Ackerland werden erschlossen. „Eine Agrarreform ohne Parallele“, bemerkt staunend der „Diario“ in Rio, ganz vergessend, daß schon vor fünf Jahren die brasilianische Regierung die Erschließung „Amazoniens“ durch die große Straße Brasilia-Beiern in Angriff nahm. Mitten durch den einsamen Urwald führend, werden 5,4 Millionen Quadratkilometer Nutzfläche gewonnen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung