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Die Diktatoren-Internationale

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Südlich des Äquators gibt es in ganz Lateinamerika zur Zeit nur einen Staat, nämlich Argentinien, in dem eine demokratische Verfassung — jedenfalls bis zu einem gewissen Grade — Geltung hat. Die Militärdiktatoren sprechen untereinander, wie es der chilenische Präsident General Augusto Pinochet kürzlich ausdrückte, „die offene und schlichte Sprache der Soldaten“. Drei von ihnen, der Paraguayer General Al-fredo Stroessner, der Brasilianer General Ernesto Geisel und der Bolivianer General Hugo Banzer, sind deutscher Abstammung. Bis vor der kürzlichen Richtungsänderung in Brasilien waren sie sich in der Verachtung der traditionellen Politiker einig und behaupteten, daß sie Ordnung schaffen und die Korruption beseitigen könnten. Tatsächlich haben aber in den meisten Ländern nur die Gruppen, die sich direkt oder indirekt auf Kosten des Staates bereichern, gewechselt. Trotz der Gleichartigkeit ihrer Kastengesinnung und ihres militärischen Auftretens ist aber die internationale Zusammenarbeit durch die gemeinsame Abschaffung der Demokratie nur in Einzelfällen verstärkt worden.

Der wichtigste Gegensatz zeigt sich darin, daß der peruanische Diktator, General Juan Velasco Alvara-do, zwar nicht kommunistisch, aber scharf links-an tikapitalistisch ist und die Grundbesitzer entrechtet, während alle anderen Diktatoren rechts stehen und sich auf sie stützen. So schrieb die führende brasilianische Zeitung „O Estado de Säo Paulo“: „Die Kampagne gegen die ,CIA' und die USA fällt mit systematischen Denunziationen gegen sie durch linke Regierungen ... wie jene Perus zusammen. Auf diese Weise wollen sich diese Linken frei fühlen, um ... mit Hilfe sowjetischer Waffen und Techniker ... tätig zu werden, die ihrerseits dem General Velasco Alvarado helfen, die Presse zu knebeln und ein Angriffsheer aufzustellen, das, wie Pinochet und (der Ecuadorianer) General Rodrigez Lara bezeugen, Chile und Ecuador bedroht. Aus diesen Gründen nahmen die beiden Präsidenten an den Ayacucho-Feiern nicht teil.“ Tatsächlich hatte der peruanische Ää>? sident die Kollegen aus sieben lateinamerikanischen Ländern, die von Simon Bolivar und Jose de San Martin befreit worden waren, zur Jahrhundertfeier der Schlacht von Ayacucho, die das Ende der spanischen Kolonialherrschaft bedeutete, nach Lima eingeladen. Die Sensation war, daß vier von ihnen — jene aus Kolumbien, Argentinien, Ecuador und Chile — im letzten Augenblick absagten und ihre Außenminister schickten. Der Bolivianer Banzer war nur unter der Bedingung gekommen, daß die andern den Anspruch seines Landes, wieder einen Zugang zum Pazifik zu bekommen, anerkannten. Damit war das Eis gebrochen. Banzer und Pinochet trafen sich an der Grenze auf dem eisigen Hochplateau am Ort Charafla und nahmen die diplomatischen Beziehungen wieder auf, die seit 13 Jahren wegen der Differenzen an dem Grenzfluß Lauca unterbrochen waren. Banzer erklärte, daß der Hauptpunkt ihres kameradschaftlichen Gesprächs „Boliviens Ausgang zum Meer mit voller Souveränität und territorialer Kontinuität“ gewesen sei. In anderem Zusammenhang sprach er von der „Frage von Tod oder Leben für das Land“. Auf kritische Äußerungen über zu frühe Konzessionen an Chile antwortete er: „Das einzige, was wir in den 96 Jahren der Abschnürung getan haben, war, um an den Pazifik-Krieg zu erinnern, daran, daß Anto-fagasta unser war, und denen Vorwürfe zu machen, die heute diese Territorien besitzen.“

Im Pazifik-Krieg kämpften Peru und Bolivien gegen Chile. Das Ergebnis war, daß 1884 — nach fünfjährigem Krieg — Chile die Zone von Tarapaca mit der Hauptstadt Arica Peru wegnahm und gleichzeitig Bolivien zum Binnenstaat degradierte, indem es die Küste mit der Hafenstadt Antofagasta annektierte. Im Jahre 1929 verpflichtete sich dann Chile in einem Vertrag mit Peru, ohne dessen Zustimmung Bolivien nicht den Rückweg zum Meer zu öffnen. Während Pinochet zu bedeutenden Konzessionen bereit zu sein scheint, um sein Image auf jn$fH“ationaler Ebene aufzuhellen, ist die Haltung Perus äußerst unklar.' Es regnet Alarmmeldungen. Einmal behauptet man, daß Peru sich mit sowjetischer Hilfe aufrüste, um Chile anzugreifen, am nächsten Tag, daß Chile Waffen kaufe, um Peru zu überfallen, am dritten Tag schlägt Velasco Alvarado ein Abrüstungsabkommen vor. Dazwischen spielt das chronische Mißtrauen vor der brasilianischen Hegemonie eine Rolle, weil der Plan besteht, die vorhandenen Eisenbahnlinien so auszu-

bauen, daß auf der „Route des Steinbocks — quer durch den Kontinent — der Atlantikhafen Santos mit dem Pazifikhafen Arica verbunden wird.

Bolivien braucht Sicherheit. Treffen zwischen den drei Diktatoren Pinochet, Banzer und Velasco Alvarado werden abwechselnd angekündigt und dementiert. Bolivien sucht nicht nur die Zustimmung Perus, sondern auch eine internationale Grenzgarantie für den ersehnten Weg zum Meer, durch Argentnien, Brasilien und Venezuela. Ein kompliziertes diplomatisches Ringen ist im Gange.

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