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Was kommen mußte

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In der Morgenfrühe des 3. Oktober hat ein Militärstreich ohne einen einzigen Gewehrschuß mit der Regierung des Präsidenten Belaunde in Peru aufgeräumt. Einige Stunden später nahm eine neue „Junta Revo- lucionaria“, angeführt von General Juan Velasco Alvarado, die Regierung in ihre Hand. Der Eroberer Fr. Pizzaro, mit dessen Tod eine lange Serie von Putschen im Staat Peru begonnen hat, scheint auf seinem hohen Roß vor dem Cafe „Haiti“, gegenüber dem Palast des Präsidenten, zu lächeln. Und im Cafe kommentiert ein Peruaner: „Es kam, was kommen mußte.“

lagen für Projekte und Löhne, zum Teil ungedeckt im Staatsvoranschlag, sowie die fehlende Übersicht des Präsidenten und seiner Minister über finanzielle Belange — dies alles führte im September des letzten Jahres zur Sol-Entwertung. Bis dahin dotierte der Dollar seit vielen Jahren mit 26,70 Soles. Nach der Entwertung, die vor allem ein Schlag gegen die Armenmassen war, weil die Lebenskosten sofort in die Höhe schnellten, stieg der Dollarwert sprunghaft bis auf 44,40 Soles (heutiger Stand), während die Löhne eine Erhöhung von nur zehn Prozent erfuhren.

Seit fünf Jahren und zwei Monaten stand F. Belaunde an der Spitze des Staates und eines sehr, allzusehr demokratischen Regierungs- prinzipes, das anfangs hoffnungsvolle Perspektiven ausstrahlte, doch allmählich in dunklen Machenschaften unterging.

Die ersten Jahre seiner Präsidentschaft werden in die Geschichte von Peru als eine Etappe echter Revokation eingehen, denn in dieser Periode erließ Belaunde eine Serie von Dekreten zugunsten der armen Bauernschaft, der Arbeiter und des Allgemeinwohls des kleinen Mittelstandes. Aber dunkle Machenschaften der Opposition, die Geldgier in- und ausländischer Großfirmen mit Komplizen bis in die Regierungskreise, die riesigen Staatsaus

Die zweite Bombe

Und als das Volk durch die Inflation in eine schwere Krise geriet, platzte die zweite Bombe: der Kon- terbandeskandaL Eine parlamentarische Kommission entdeckte einige Gruppen von Peruanern und Ausländern, die in Konterbandegeschäften den Staat um viele Milliarden von Soles geprellt hatten. Die Verbindung der Konterbandiisten mit hohen Staatsfunktionären (sogar mit Ministern und mit dem Chef der peruanischen Kriminalpolizei) ließen die Sympathien des Volkes für die Regierung auf den Gefrierpunkt sinken. Statt in diesem Augenblick hart durchzugreifen, ließ es der Präsident geschehen, daß der Großteil der Angeklagten, zum Teil in flagranti erwischt, durch einen geschmierten Richter auf freien Fuß gesetz wurde, was im ganzen Volk eine Welle der Empörung gegen die Regierung hervorrief.

Und zu schlechter Letzt: In den vergangenen Wochen explodierte die dritte Bombe. Wie Präsident Belaunde am 28. Juli in seiner Rede an die Nation angekündigt hatte, werde ein neuer Vertrag über die Ausbeutung der Erdölquellen von Talara zwischen dem Staat und der nordamerikanischen Intematlonal- Petroleum-Company (IPC) Peru die volle Souveränität über seinen reichsten Bodenschatz im Norden des Landes zurückgeben. Im September war es soweit. Doch was ge-schah? Am Tage der Unterzeichnung des neuen Vertrages, bei hellem Tageslicht, verschwand im Palast des Präsidenten auf geheimnisvolle Weise die Schlüsselseite des Vertrages, die „pagina onze“. Nach dem Verlust dieser Seite 11 präsentierte sich der neue Vertrag als eine ausgeklügelte Farce in bezug auf die Nationalisierung der Ölquelle. Die Millionengewinne aus dem schwarzen Gold würden für weitere Jahrzehnte in die bodenlosen Kassen der IPC fließen. Eine Flut der Unzufriedenheit, des Widerwillens und des Ekels gegenüber soviel Immoralität in der politischen Führung des Landes überschüttete das ganze Volk. Sogar Edgardo Seoane, bis dahin Präsidentschaftskandidat der Partei Belaundes für das nächste Wahljahr, kehrte daraufhin dem Präsidenten den Rücken und spaltete die eigene Partei, die „Acciön Populär“, in zwei Lager.

So kam, was kommen mußte. „Die

Nacht der Generäle“ vom 1. auf den 2. Oktober war die logische Folge der Fehler eines Mannes, der aus den eigenen Fehlern nichts lernte und auf den ein Wort W. Churchills fast zugeschnitten ist: „Ein Fanatiker ist ein Typ, der seine Idee nicht ändern kann und sein Thema nicht wechseln will."

Die neue Militärregierung mit dem Präsidenten Juan Velasco Alvarado, Divisionsgeneral, an der Spitze wird nationalistisch, hart und reformfreudig sein. Als Präsident Velasco (ein Mann, der wenig und schlecht redet) in seiner ersten Rede an die Nation den neuen Vertrag von Talara zwischen der Belaunde- Regierung und der IPC als null und nichtig erklärte und die gleichzeitige Besetzung der Installationen von Talara durch peruanische Truppen bekanntgab, ging eine Welle der Freude und des Enthusiasmus durch ganz Peru. Ein erster Herzenswunsch des Volkes war damit erfüllt.

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