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Drei Rivalen

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Die „Nationalrevolutionäre Arbeiterbewegung“ vertrieb 1952 in einem blutigen Kampf gegen das Heer die „Zinnbarone“ und „Feudalherren“. Die großen Minen auf dem Hochplateau wurden verstaatlicht. Die Minenarbeiter folgtem dem Führer des linken Flügels der Revolutionspartei (MNR), Juan Lechin, der nicht indianischer, sondern arabischer Abstammung ist. Sie wählten aber bei den Gewerkschaftswahlen mehr kommunistisch und trotzkistisch als nationlrevolutionär. Sie wurden immer radikaler, so daß sich weder die Staatspräsidenten D. Paz Estenssoro und Dr. Siles Zuazo noch der Präsident der verstaatlichten Minengesellschaft überhaupt noch in die Minenzonen wagen konnten. Sie bildeten einen kommunistischen „Staat im Staate“. Den Rückhalt der gemäßigten Präsidenten bildeten die Landarbeiter in den Tälern, die „Campe-sinos“, die bei der mißlungenen Landreform nach der Revolution zu kleine Parzellen ohne genügend technische ur d finanzielle Hilfe erhalten hatten. Minen- und Landarbeiter waren bewaffnet. Kämpfe zwischen ihnen, dörfliche Bürgerkriege waren an der Tagesordnung. Die Revolution fraß ihre eigenen Söhne.

Der radikale Lechin und die beiden gemäßigten Präsidenten kämpften ein Jahrzehnt lang um die Macht Ihie Partei zerfiel Jetzt sind sie alle drei in der Emigration. (Lechin ist in

Paraguay, Paz in Peru und Siles in Uruguay.)

Der neue „starke Mann“, der sie vertrieb, General Rene Barrientos, ist auch in der „Nationalrevolutionären Arbeiterbewegung“ groß geworden. Im Gegensatz zu dem Heereskommandanten General Alfredo Ovande, einem älteren, kranken, aber intellektuell hervorragenden „Fuchs“, den er als Co-Präsidenten akzeptieren mußte, ist Barrientos ein kraftstrotzender Draufgänger, ein Fallschirmjäger auch in der Politik. Als er nicht nur die „drei Großen“, sondern auch 300 ihrer „Aktivisten“,-Politiker und Gewerkschaftsführer, kurzerhand ins Flugzeug nach Argentinien setzte, proklamierten ihre Anhänger den Generalstreik. Es kam zu Kämpfen zwischen den bewaffneten Minenarbeitern und dem Heer. Man spricht von 300 Toten. Barrientos verhängte das Ausnahmerecht, zog alle Bolivianer zwischen 15 und 50 Jahren theoretisch zum Zivildienst ein, unterstellte sie also dem Kriegsrecht. Schließlich konnte er die Minen ohne neuen Widerstand militärisch besetzen.

Barrientos „Zweite Republik“

Fast jedes Wochenende fährt er — oft mit seiner Familie — in das Tal von Cochabamba, aus dem er stammt, und wirbt unter der Landbevölkerung für seine „Zweite Republik“.

Obwohl er vor kurzem mit knapper Not zwei Anschlägen der Minen-

arbeiter gegen sein Leben entgangen war, fuhr er in die radikalste Mine, „Siglo XX“, zog sich die Tracht der Bergarbeiter an und fuhr acht Stunden lang unter Tag von Stollen zu Stollen. Überall hielt er Reden. Er griff die früheren Zinnbarone ebenso an wie die deportierten Gewerkschaftsführer. Er erklärte den Arbeitern, daß sie zur Sanierung der Zinnproduktion, die sie sabotiert hatten, beitragen müßten, um leben zu können. Er senkte sein Gehalt um 12 Prozent, machte die Lohnerhöhungen der Minenarbeiter seit 1964 rückgängig, versprach aber gute und billige Lebensmittelzufuhr und 50prozen-tige Gewinnbeteiligung. Begeistert über seinen Mut trugen ihn seine Todfeinde von gestern auf den Schultern aus der Mine. Pressephotographen waren rechtzeitig bestellt.

Der „Dreiecksplan“, durch den die USA, die Bundesrepublik und die Interamerikanische Entwicklungsbank die Zinnminen, von denen Bolivien lebt, sanieren und damit einen der gefährlichsten Unruheherde des Kontinents beruhigen wollten, ist — trotz der kontrollierten Investition von etwa 27 Millionen Dollar — unter unaufklärbaren Umständen gescheitert. Barrientos will ihn wiederaufnehmen. Die „Fachleute“ glauben an einen Erfolg, wenn weitere 12 Millionen beigetragen werden. Um Vertrauen zu schaffen, hat Barrientos der Bundesrepublik Deutschland VA Millionen DM an rückständigen Zinsen und Amortisationen gezahlt.

In den Minen haben die Soldaten alle Waffen beschlagnahmt. Die Landarbeiter im Tal von Cochabamba sollen sie freiwillig abliefern. 51 Arbeiter, die es taten, bekamen Orden in der Zentralkaserne. Auch sonst verteilt Barrientos freigebig Auszeichnungen an „treue Ortschaften“ oder „bewährte Patrioten“.

Es scheint, daß er seine früheren Feinde mit Orden stärker überzeugt als mit Tränengas, das er bis vor kurzem gegen sie anwenden mußte.

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