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Dem „Sendero" heimleuchten

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Frieden wird es in Peru „bestenfalls" in fünf Jahren, eine versöhnte Bevölkerung erst nach zwei bis drei Generationen geben, meinen peruanische Katholiken. Die Hauptschuld daran trägt der „Sendero luminoso" (Der leuchtende Pfad).

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Frieden wird es in Peru „bestenfalls" in fünf Jahren, eine versöhnte Bevölkerung erst nach zwei bis drei Generationen geben, meinen peruanische Katholiken. Die Hauptschuld daran trägt der „Sendero luminoso" (Der leuchtende Pfad).

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Der Konflikt in Peru hat sich nach der Verhaftung von Abimael Guz-man, dem Chef der Terrororganisation „Sendero luminoso" (FURCHE 41/1992), verschärft, berichteten jüngst zwei Vertreter peruanischer katholischer Hilfsorganisationen, die ersuchten, nicht namentlich genannt zu werden, im Gespräch mit der FURCHE in Wien.

Die Gewalt in Peru sei zunächst eindeutig vom „Sendero" ausgegangen, der nicht mit den Sandinisten in Nikaragua, sondern nur mit den Pol-Pot-Terroristen in Kambodscha verglichen werden könne, meinen diese peruanischen Katholiken. Sofort nach den ersten freien Wahlen im Mai 1980 nach einer zwölfjährigen Diktatur habe der „Sendero" seine erste Aktion gestartet. Seither habe die politisch motivierte Gewalt zumindest 27.000 Menschen das Leben gekostet, 80 Prozent davon gingen auf das Konto der Terroristen, die übrigen auf jenes der Armee, die Gewalt mit Gewalt beantwortete. Der Konflikt habe 60.000 Familien zu Flüchtlingen innerhalb von Peru gemacht, nur zwei der 24 Landesteile Perus seien von Gewalt verschont geblieben.

Die „Sendero"-Leute fühlten sich als die einzigen echten Marxisten, neben Marx, Lenin und Mao sei für sie „Presidente Gonzalo" (der verhaftete Guzman) die vierte Quelle ihrer Ersatzreligion, eines dogmatischengen Marxismus. Der „Sendero" habe auch viele positive Sozialprojekte, insbesondere solche der katholischen Kirche, zerstört, denn er wolle den „Klassenkampf und sehe dafür jedes Modell einer friedlichen sozialen Entwicklung als hinderlich an.

Darum habe der „Sendero", der stets verkündete, er werde bis zum Jahr 2000 die Macht übernehmen, immer wieder Morddrohungen an Aktivisten der Kirche, auch an Bischöfe, gerichtet, Anschläge verübt und zahlreiche Katholiken, Laien und Priester, getötet. Auf etwa 40 Prozent der Fläche von Peru könne die Terrororganisation, deren Geld vorwiegend aus Verbrechen (insbesondere dem Drogenhandel) stamme, frei agieren. Mit brutalen Mitteln (Bedrohung der Familienangehörigen) würden Leute zum Mitmachen beim „Sendero" genötigt, Kinder und Jugendliche zur Gewalttätigkeit „erzogen".

Natürlich gehe auch die Armee mit Personen, die der - erzwungenen oder freiwilligen, echten oder nur scheinbaren - Zusammenarbeit mit den Terroristen verdächtig sind, nicht zimperlich um. Neben den anderen Auswirkungen seien auch die geistigen Folgen dieser Situation für das Land katastrophal: Angst, Unsicherheit und Mi ßtrauen unter der B evölkerung und, was vielleicht am schlimmsten sei, das Zunehmen der Meinung, daß Gewalt sehr effektiv sei. Diese Haltung könnte einen wünschenswerten Waffenstillstand überdauern, befürchten die Gesprächspartner aus Peru:

„Die Gewalt lebt ihr Eigenleben weiter."

Was Peru von anderen Ländern Lateinamerikas besonders unterscheide, sei der „Sendero". Er trage die Schuld daran, daß Peru heute nach Haiti und Bolivien das drittärmste Land dieser Region sei. Die Regierung Alberto Fujimori, die bis 1995 Frieden im Land herstellen will, ist mit den wirtschaftlichen Problemen total beschäftigt. Es gelang ihr zwar, die Inflationsrate, die von 1988 bis 1990 zwei Millionen Prozent(!) betrug, auf unter 50 Prozent pro Jahr zu senken, aber der Preis war eine starke Rezession. Die Hälfte der Peruaner lebt in bitterer Armut.

Die katholische Kirche des Landes hat Prestige als Anwalt der Armen und sozial Schwachen, sie bemüht sich um die Opfer der Gewalt, organisiert Ausspeisungen, versucht, durch bestimmte Projekte Arbeitsplätze zu schaffen, Lehrer auszubilden, den Leuten ihre Rechte und Möglichkeiten zu erklären. Hier ziehen auch ziemlich alle Bischöfe an einem Strang, obwohl gerade in Peru auch manche Differenzen bestehen. Einige Oberhirten neigen mehr der Befrei-ungstheolpgie des Peruaners Gustavo Gutierrez zu, eine steigende Zahl -sieben peruanische Bischöfe gehören dem „Opus Dei" an - verfolgt aber eine andere Linie.

Ohne ausländisches Kapital steht die Kirche von Peru freilich auf verlorenem Posten, darum hoffen die beiden Gäste aus dem Andenstaat auch auf zunehmende Hilfe aus Österreich, auf die Solidarität der Christen eines relativ reichen Landes mit ihren Geschwistern in einer der besonders geprüften Regionen der Erde.

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