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Zum 100. Geburtstag von Frida Kahlo.

Geben Sie Ihrem Wagen einen revolutionären Anstrich: Frida Kahlo-Abziehbilder für Ihre Autofenster", so der Slogan einer Website, auf der Kleider und Accessoires im Kahlo-Stil zum Verkauf geboten werden. Die mexikanische Malerin ist seit den 1990er Jahren zu einer Ikone revolutionärer Haltung geworden - und ihr blumenbekränztes Konterfei mit den zusammengewachsenen Augenbrauen beinahe so bekannt wie das von Che Guevara.

Frida Kahlo ist aber nicht nur aufgrund ihrer kommunistischen Haltung legendär: Für viele Frauen, besonders für Künstlerinnen, ist Frida Kahlo in den letzten zwanzig Jahren zur Identifikationsfigur schlechthin geworden. Spätestens seit 2003 und dem Hollywoodfilm Frida mit Salma Hayek in der Hauptrolle wurde die Malerin weltweit zum Symbol der unbeugsamen Frau, die sich von der damaligen mexikanischen Machogesellschaft nicht unterkriegen ließ.

Längst hat das öffentliche Bild die historische Gestalt in den Hintergrund gedrängt. Aufgrund zahlloser biografisch-fiktiver Bücher wurde Frida Kahlo als Person zwar immer populärer, eine ernsthafte kunstwissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihrem Werk jedoch erheblich erschwert.

Wer war Frida Kahlo wirklich, fragt man sich anlässlich ihres 100. Geburtstags. Ist ein Blick auf ihr nur 150 Bilder umfassendes Œuvre losgelöst von ihrer dramatischen Lebensgeschichte überhaupt möglich?

Leben und Legenden

Geboren wurde Frida Kahlo am 6. Juli 1907 in Mexiko City als Tochter eines ausgewanderten deutschen Fotografen und einer streng gläubigen Mexikanerin. Später hat Kahlo ihr Geburtsjahr von 1907 auf 1910 geändert, damit es sich mit dem Ausbruch der Revolution deckt. Die Familie lebte in dem von ihrem Vater drei Jahre vor ihrer Geburt erbauten Haus in Coyoacán, das später als "Casa Azul" und Kahlo-Wirkstätte in die Geschichte einging.

Kindheit und Jugend waren schon früh von Krankheit und Schmerz überschattet. Mit sechs Jahren erkrankte Kahlo an Kinderlähmung - dies führte zu einer bleibenden Verkümmerung ihres rechten Beines. Es sollte noch schlimmer kommen. Kahlo, die eigentlich Medizin studieren wollte, kam als Achtzehnjährige bei einem Busunfall beinahe ums Leben. In Folge der schweren Unterleibsverletzungen und zahllosen Brüche musste die Malerin im Laufe ihres kurzen Lebens über dreißig Mal operiert werden, beengende Korsetts tragen und Wirbelsäulenstreckungen über sich ergehen lassen. Ganz abgesehen davon, dass ihr der Wunsch, ein Kind zu bekommen, aufgrund der Unfallfolgen verwehrt blieb.

Der tragische Unfall und die ungewollte Kinderlosigkeit trugen zur Mythenbildung bei: naiv, persönlich und autobiografisch sei ihre Kunst, hieß es lange. Bilder wie Die gebrochene Säule (1944) sprechen aber für die ungemeine Bildung von Frida Kahlo. Sie zeigen, dass Kahlo die Kunstgeschichte gut gekannt und aus weiblicher Sicht bewusst neu akzentuiert hat: In der Gebrochenen Säule ist eine nackte, in ein orthopädisches Stützkorsett gezwängte Frau zu sehen. Sie blickt selbstbewusst aus dem Bild - Tränen rinnen ihr die Wangen herunter und die Haut ist mit verletzenden Nägeln gespickt. In der Mitte ist der Körper aufgerissen: eine mehrfach gebrochene ionische Säule kommt zum Vorschein. So erinnert das Bild an die Christus-Darstellungen als Ecce Homo oder Schmerzensmann, auch an die Bilder des an eine Säule gebundenen und mit Pfeilen durchbohrten Heiligen Sebastian.

Brust und Herz aufgerissen

Frida Kahlos Bilder gehen nahe, weil hier körperliche und seelische Schmerzen zu einer rätselhaften Bilderwelt geführt haben. Kahlo "sei die einzige Künstlerin in der Geschichte der Kunst, die sich Brust und Herz aufgerissen hat, um die biologische Wahrheit ihrer Gefühle bloßzulegen", meinte ihr Ehemann Diego Rivera. Die Bilder berühren aber auch, weil aus ihnen trotz des dargestellten Schmerzes eine ungebrochene Lebensfreude spricht - weil sie zeigen, dass künstlerischer Ausdruck ein Mittel sein kann, leidvollen Erfahrungen kreativ zu trotzen. Viva la Vida, Es lebe das Leben, so der Titel eines Gemäldes, das sie kurz vor ihrem Tod (13. Juli 1954) malte.

Frida Kahlo war aber nicht nur die "Malerin der Schmerzen". Sie war eine hoch politische Künstlerin, auch wenn sie selbst einmal meinte, ihre Malerei sei "nicht revolutionär. Warum soll ich mir einbilden, dass sie kämpferisch sei?" Dass Kahlo sich in Bildern bewusst der Sprache der volkstümlichen naiven Malerei Mexikos zuwandte, ist etwa als politische Botschaft zu verstehen. Als Zeichen der Solidarität mit Mexiko und seiner Geschichte schmückte sie sich mit präkolumbischen Halsketten und Kleidern und präsentierte sich auf Bildern als La Mexikana.

Deutlich erkennbar wird Kahlos politische Haltung in dem 1932 entstandenen Selbstbildnis auf der Grenze zwischen den USA und Mexiko. Hier stellt Kahlo die technikfreundliche Welt der Vereinigten Staaten dem präkolumbischen Mexiko gegenüber, das von Fabriken und roboterhaften Gebilden bedroht wird. Sie selbst steht als Vermittlerin in einem europäischen Rüschenkleid mit mexikanischer Flagge in der Hand zwischen den beiden Kulturen. Kahlo weist in einer eigenständigen Bildsprache auf den neokolonialistischen Druck einer Industriemacht gegenüber einem ärmeren Nachbarn hin.

Leidenschaftlich Liebende

Frida Kahlo ging nicht nur als Malerin, sondern auch als leidenschaftlich Liebende in die Geschichte ein. Obwohl ihr verschiedene hetero-, aber auch homosexuelle Affären nachgesagt werden, kreiste ihr Denken zeitlebens um ihren 19 Jahre älteren Ehemann, den Revolutionsmaler Diego Rivera. Frida und Diego, "die Taube und der Elefant", wie sie oft charakterisiert wurden, gelten als Inbegriff eines exzentrischen Künstlerpaares - das sich unendlich liebte, künstlerisch inspirierte - das nicht ohne, aber auch nicht miteinander leben konnte. 1929 Heirat - 1939 Scheidung - 1940 abermals Heirat. Im Bild Diego und Frida 1929-1944 (1944) verbindet Kahlo eine Hälfte ihres Gesichts mit einer Gesichtshälfte von Rivera. Sie malt so die größtmögliche Annäherung zwischen zwei Menschen - zugleich wird die Schwierigkeit einer kompletten Verschmelzung sichtbar. Irgendwie passen die beiden Hälften nicht ganz zusammen und trotz größtmöglicher Nähe bleiben die männliche und die weibliche Hälfte für sich.

Der katholischen Kirche stand Frida Kahlo als überzeugte Kommunistin stets kritisch gegenüber, dennoch bezog sie sich unübersehbar auf die christliche Ikonografie. Anfang der dreißiger Jahre begann Kahlo auf Metall zu malen - und ahmte damit bewusst volkstümliche Votivbilder nach, auf denen etwa Gott, einem Heiligen oder der Mutter Gottes für eine Genesung gedankt wird.

Kahlo bezog ihre Symbolsprache nicht nur aus der christlichen Religion. Genauso zentral war für sie die Symbolik der präkolumbischen aztekischen Religion. Später kombinierte sie auf Bildern diese beiden religiösen Eckpfeiler ihrer Kunst auch mit Symbolen aus östlichen Religionen. So erscheinen auf den Porträts häufig das dritte Weisheitsauge oder das Yin-Yang-Symbol. Manche ihrer späten Gemälde sprechen so an, weil sie ein visueller Versuch sind, den Ursprung des Menschen und die Glaubenssysteme zu erklären. Moses oder Schöpfungskern (1945) etwa zeigt das Nebeneinander rivalisierender Religionen und Kulturen, auch das Aufeinandertreffen von jahrtausende alten Glaubensüberzeugungen und Naturwissenschaft.

Politik, Religion, Geschlecht

Frida Kahlo fasziniert auch, da sie im Leben wie in der Kunst herkömmliche geschlechtsspezifische Normen radikal hinterfragte. In ihrem Frühwerk zeigte sich die Malerin gerne in traditionellen Frauenrollen - etwa als Gattin des berühmten Wandmalers Diego Rivera. Ab 1932 begann sie die beengende Rolle, die Frauen in der mexikanischen Gesellschaft zugeteilt war, zu verwerfen. Stattdessen suchte sie in Bildern nach subversiven und alternativen Identitäten. In Selbstbildnis mit abgeschnittenem Haar (1940) malte sich Kahlo als androgynes Wesen. Zu sehen ist eine sitzende Frau mit kurzen schwarzen Haaren in einem viel zu großen Männeranzug. In der einen Hand hält sie eine Schere, in der anderen einen abgeschnittenen Zopf. In das Ölbild hat Kahlo Text und Noten eines Liedes eingefügt, in dem eine offensichtlich männliche Stimme sagt: "Ich habe dich geliebt nur wegen deiner Haare. Jetzt bist du kahl, und deshalb liebe ich dich nicht mehr."

In Tagebüchern und Briefen bezeichnete sich Frida Kahlo, die das Maskieren und Verkleiden ihrer Person zum wesentlichen Bestandteil der Kunst erklärte, als "Verbergungskünstlerin" - als "la gran ocultadora". Die spielerische und dennoch bitter ernste Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Identität in Bezug auf den Körper, auf Gesellschaftsstrukturen - sowie auf politische und religiöse Themen ist mit ein Grund, warum Kahlo auch zu ihrem 100. Geburtstag noch so zeitgemäß erscheint.

So heißt es in einem der wenigen kunstwissenschaftlichen Kataloge über Kahlo anlässlich einer großen Werkschau der Tate Modern im Jahr 2005: "Bevor Theoretiker/innen des Feminismus den Slogan, das Persönliche ist politisch' aufbrachten und lange bevor, Identitätspolitik' und postkoloniale Hybridisierung akademisch erörtert wurden, schuf Frida Kahlo ein Œuvre, das all diese Themen anspricht."

Eine Rezension des Romans "Frida" von Slavenka Drakuli´c finden Sie auf Seite 18.

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