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Slavenka Drakulic wird in ihrem Roman über Frida Kahlo der Künstlerin kaum gerecht, meint Evelyne Polt-Heinzl.

Die Faszination, die von Frida Kahlos außergewöhnlichem Schicksal ausgeht, hat immer wieder zu künstlerischen Verarbeitungen angeregt. Mit sechs Jahren erkrankt sie an Kinderlähmung, mit achtzehn erleidet sie bei einem Busunfall lebensgefährliche Verletzungen. An den Folgen dieses Unglücks wird sie bis zu ihrem Tod im Alter von 47 Jahren laborieren. Mehr als dreißig Operationen hat sie zu erdulden, ein Leben voller Schmerzen und körperlicher Beeinträchtigungen, dem sie mit unglaublicher Kraft und enormem Lebenswillen begegnet. Als sie nach ihrem Unfall fast ein Jahr unbeweglich im Bett liegen muss, beginnt sie zu malen; fortan zeugen die ausdrucksstarken, farbintensiven Bilder von ihrem Leiden wie von ihrem Lebensmut.

Zum 100. Geburtstag der Künstlerin (siehe dazu auch Seite 14) legt die kroatische Journalistin und Autorin Slavenka Drakulic einen biografischen Roman vor, der, so der Verlagstext, "das Innenleben von Frida Kahlo ergreifend" darstellt. Auf Intimität verweist schon der Buchtitel mit der amikalen Reduktion auf den Vornamen der Künstlerin, im Erzählfluss kippt der Text dann oft direkt in die Ich-Form. Überzeugend ist das an jenen (seltenen) Stellen, wo offen aus Briefen und Aufzeichnungen Frida Kahlos zitiert wird; in der Regel wirkt die hier praktizierte schreibende Anverwandlung an das fremde Leben eher verstörend, aber das mag auch eine Geschmacksfrage sein.

Prinzipiell fragwürdig ist hingegen die monokausale Perspektive der Autorin: Sie führt uns eine Frau vor, deren Leben unter dem einzigen Stern ihrer Beziehung zum doppelt so alten Diego Rivera steht. Dass die beiden Künstlerpersönlichkeiten eine Lebensbeziehung verbindet, ist unbestritten, dass der egomane und erotomane Machtmensch Rivera zweifellos kein sensibler Partner war, auch. Trotzdem will die Interpretation dieser Romanbiografie, die so bereits das gleichnamige filmische Leidensepos von Julie Taymor (2002) breit trat, nicht so recht überzeugen. "Die unerfüllte Liebe war wie ein grausamer Gott, der ihr Leben beherrschte." Das ist nicht nur eine Überdosis an Pathos, sondern auch eine Reduktion von Frida Kahlos Leben und Werk auf einen Aspekt, der zudem reichlich konventionell abgehandelt wird.

Auf den letzten Seiten kommt der Roman, der als fingierter Lebensrückblick auf dem Totenbett angelegt ist, zu dem fatalen Schluss: "Ich bin schuld, Maestro, weil ich dich in einen Gott verwandelt und dir eine göttliche Aufgabe gegeben habe und dann enttäuscht war, als du sie nicht erfüllt hast." Das ist eine finale Generalabsolution für "Maestro" Rivera, die männlichen Egoismus, fehlende Sensibilität und sexuelle Rücksichtslosigkeit als Folgen weiblichen Fehlverhaltens verbucht.

Reduktion des Lebens

Zu einer starken Persönlichkeit wie Frida Kahlo will das nicht so recht passen und es geht im Roman auf Kosten der Darstellung ihres produktiven Lebens. Trotz der eingeschobenen Interpretationen von einigen Bildern Frida Kahlos kommt der Blick auf die Künstlerin zu kurz. Ihre umfangreiche Lehrtätigkeit bleibt ausgespart, und ihre Bilder werden allein als Ausdrucksmöglichkeit für den "Dämon des Schmerzes" interpretiert, der sich nicht in Worte fassen und sie innerlich vereinsamen lässt.

Alles, was Frida Kahlo im Blick Slavenka Drakulic' tut, tut sie ausschließlich wegen und für Rivera. Alle anderen leidenschaftlichen Beziehungen, die sie erlebt, selbst die zu Trotzki, werden wie nebenbei abgehandelt. Auch Politik, so die Autorin, interessierte Frida Kahlo überhaupt nicht, nur um Rivera nahe zu bleiben, engagiert sie sich in der Kommunistischen Partei. Von einem künstlerischen Austausch, der, so will man doch annehmen, die zentrale Basis dieser ungleichen Beziehung über mehrere Lebensjahrzehnte hinweg bildete, erfahren wir kaum etwas. Dafür sehr viel von den Kränkungen, die ihr sein ausschweifendes Sexualleben zugefügt hat. Besonders pathetisch geraten ist die Schilderung seines Verhältnisses mit ihrer Schwester, die Frida Kahlo bis zu ihrem Tod - den die Autorin unbewiesen als Selbstmord interpretiert - pflegen wird.

Das, was Frida Kahlos unvergleichliche Stärke war, den Lebenskampf mit enormer Disziplin und auch Lebenslust aufzunehmen, steht in der Sicht dieser Romanbiografie ganz im Zeichen einer exzentrischen Inszenierungskunst. Doch es war wohl die einzig mögliche Form, dieses schwierige Leben anzunehmen und ihm allen Widrigkeiten zum Trotz noch einiges an Lebensfreude abzugewinnen. Über welch enormes Maß an Energie Frida Kahlo verfügt haben muss, das zeigen ihre Bilder, und das lässt sich kaum auf ihre Beziehung zu Diego Rivera reduziert denken. Dass just zum 100. Geburtstag in ihrem gemeinsamen Wohnhaus mit Rivera unbekannte Bilder Frida Kahlos aufgetaucht sein sollen, könnte man als Zeichen interpretieren, dass ihr Lebensroman mit einer angemessenen Darstellung ihrer künstlerischen Bedeutung noch nicht geschrieben ist.

Frida

Roman von Slavenka Drakulic

Aus dem Kroatischen von Katharina Wolf-Grießhaber.

Zsolnay Verlag, Wien 2007

176 Seiten, geb., € 18,40

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