Sauerteig statt Diasporakirche

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Anfang September wurde die erste katholische Hochschule Schwedens seit der Reformation eröffnet. Ein kräftiges Lebenszeichen einer Minderheit.

Weit herumgesprochen hat sich die kleine Sensation noch nicht # aber es ist ausnahmsweise nicht übertrieben, von einem historischen Moment zu sprechen: Anfang September wurde in Uppsala die feierliche Einweihung das Newman-Instituts (#Newmaninstitutet#) gefeiert, der ersten katholischen Hochschule in Schweden seit 400 Jahren. Die #Högskola för Teologi, Filosofi och Kultur# ist damit die erste katholische Hochschule überhaupt in Skandinavien seit der Reformation. Selbst die Tatsache, dass der Betreiber der Hochschule der Jesuitenorden ist # in Schweden über Jahrhunderte hinweg gefürchtet #, erwies sich letztlich nicht als Hemmschuh für das Projekt.

Erster schwedischer Bischof

Mitte Juni hielten die 13 Chefredakteure der Kulturzeitschriften des Jesuitenordens in Europa im Konferenzzentrum Sigtunastiftelsen auf halber Strecke zwischen Stockholm und Uppsala ihr jährliches Treffen ab. Dabei kam es auch zu einer Begegnung mit dem Bischof von Stockholm, Lars Anders Arborelius, der ein anderes Bild von der katholischen Kirche Schwedens zeichnet, als man sie landläufig findet.

1949 in der Schweiz geboren und im südschwedischen Lund aufgewachsen, konvertierte Arborelius mit 20 Jahren zum Katholizismus und trat mit 22 in den Karmelitenorden ein. Nach Studien in Brügge und Rom 1979 zum Priester geweiht, erfuhr er während eines Exerzitienkurses auf den Philippinen im Herbst 1998, dass ihn der Papst zum Bischof von Stockholm ernannt hatte. Er ist der erste schwedischstämmige katholische Bischof von Stockholm seit der Reformation.

Nach der Reformation war die katholische Kirche in Schweden über 200 Jahre lang verboten. Im Jahr 2000 wurde das Staatskirchensystem abgeschafft, nachdem bereits 1996 die durch Geburt automatische Zugehörigkeit zur Staatskirche beendet worden war. Es dauerte bis 1952, bis die erste katholische Diözese errichtet werden konnte. Die Diözese Stockholm ist identisch mit dem Staatsgebiet von Schweden, das über fünf Mal so groß ist wie Österreich. Von den etwas mehr als 9,2 Millionen Einwohnern sind geschätzte 200.000 getaufte Katholiken, von denen längst nicht alle registriert sind. Der Gottesdienstbesuch liegt bei 20 Prozent.

Viele Sprachen und Mentalitäten

Schweden ist ein klassisches Immigrationsland. 6,7 Prozent der Staatsbürger stammen aus dem Ausland. Dementsprechend bunt ist die Mischung der Katholiken. Bischof Arborelius meint, dass Schweden damit #zum prophetischen Bild des Europa von morgen# werde: eine Diözese mit Mitgliedern aus 100 verschiedenen Nationen. Eine immense Herausforderung: aus so vielen Sprachen und Mentalitäten ein Bistum zu formen, zumal viele Sprachgruppen (arabisch, polnisch, kroatisch, spanisch) lieber #unter sich bleiben# wollten.

#Entweder Schwede oder Migrant#

Was bedeutet da #katholische Identität#? 50 Prozent der Katholiken seien schwedisch sozialisiert, die andere Hälfte bevorzuge ihre Herkunftssprache und auch ihre herkömmliche Liturgie. #Minderheit in einer säkularen Gesellschaft# zu sein, wird nach dem Bischof über kurz oder lang #der Normalfall in Europa# sein.

Ohnehin sei man #entweder Schwede oder Immigrant#. Und diese zwei Identitäten führten zu sozialen Spannungen. Denn Schwede sein bzw. werden und gleichzeitig die eigenen Wurzeln bewahren # das ist eines der größten Probleme. #Invandrarbakgrund# (Immigranten-Hintergrund) gilt als Schimpfwort bzw. gleichbedeutend mit #kein richtiger Schwede#. Offiziell gibt es zwar keinen Rassismus. Aber unzählige Vorurteile. Häufig wechseln Einwanderer deswegen ihren Namen und die Religion: Manche treten aus der katholischen Kirche aus, obwohl sie weiter praktizieren: das #Stigma# des Katholischen # ein Grund, warum sich die Zahl der Katholiken nicht exakt festlegen lässt.

Bischof Arborelius nimmt die Herausforderungen an. Wie wird die katholische Kirche in der nächsten Generation ausschauen? Schweden ist auch eines der säkularisiertesten Länder Europas.

Kirchen-Allianz wird brüchig

#Believing without belonging# (glauben ohne dazuzugehören) wie auch #belonging without believing# (dazugehören ohne zu glauben): So lässt sich das Phänomen der säkularisierten Zivilreligion zusammenfassen. Die Zusammenarbeit im Ökumenischen Rat der Kirchen Schwedens funktioniert bestens. Alle sprechen mit einer Stimme. Allerdings wird diese Allianz zunehmend bei #heißen Eisen#, zum Beispiel bei gleichgeschlechtlichen Ehen, brüchig. Arborelius vermisst #Verlässlichkeit#. Er vermeidet den Begriff #Diasporakirche# und bevorzugt das Bild vom #Sauerteig#.

Die neue Hochschule in Uppsala kann zusammen mit der seit 1975 bestehenden, einzigen katholischen Kulturzeitschrift Schwedens #Signum# ihren Beitrag dabei leisten.

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