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Der Anschlub Wiens an den Oder-Donau-Kanal

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Nach' “den Plänen, Hie während des zweiten Weltkrieges ausgeführt werden sollten, hätte der Bau des Oder-Donau-Kanals am alten Klodnitzkanal in Oberschlesien beginnen und im allgemeinen der Oder und March entlang führen sollen, um in der L o b a u bei Wien die Donau zu erreichen. Dieses großzügige Bauvorhaben hat die Tschechoslowakei bekanntlich vor einiger Zeit wieder aufgegriffen, und da auch Polen

sich inzwischen bereit erklärt hatte, den Bau des auf seinem Gebiete gelegenen Kanalteils durchzuführen, verfolgt auch Österreich mit berechtigtem Interesse die Pläne für den Bau dieser Großwasserstraße.

Die Tschechoslowakei soll allerdings, wie nunmehr bekanntgeworden ist, beabsichtigen, den Kanal östlich der March auf tschechoslowakischem Boden durch ein diesem Vorhaben günstiges ebenes Gelände zu bauen. Aber er kann, da sich ihm dann das Massiv des Thebener Kogels entgegenstellt, dort nicht mehr bis zur Donau weitergeführt werden und muß deshalb westlich Preßburg (Bratislava), bei Theben (DeVin), die Marchmündung benützend, in die Donau münden.

Da jedoch auch hier die Ausläufer der Kleinen Karpathen mit dem 514 m hohen Thebener Kogel dicht an die March herantreten und nicht Raum für den Bau der Hafenanlagen auf dem tschechischen Ufer bieten, so besteht bekanntlich seitens der Tschechoslowakei das Bestreben, im Verhandlungwege mit Österreich einen Gebietsstreifen am österreichischen Westufer der March zu erwerben und dort die Hafenanlage zu bauen.

Für eine solche Lösung — eine österreichische Gebietsabtretung für die Hafenanlage — wäre die erste Voraussetzung, daß Österreich das vollkommene Mitbenützungsrecht des Hafens zugesichert würde, die zweite aber wäre, daß Österreich für seine eigenen Interessen an dieser Wasserstraße sichergestellt werde durch einen Kanalast von Angern nach Wien-Lobau. Denn der Thebener Hafen hat für Österreich den Nachteil, daß von Theben das österreichische Frachtgut stromaufwärts zum Wiener Hafen geführt werden müßte, also sich Frachtverteuerungen ergäben, die gerade die für Österreich in Frage kommende Hauptfracht,polnische und tschechische Kohle, nidht verträgt.

Um den direkten Anschluß eines solchen über Angern führenden österreichischen Kanalastes an einen auf tschechoslowakischem Gebiet verlaufenden Hauptkanal zu finden, müßte das Flußbett der March bei Angern überbrückt werden. Das ist ein schwieriges und kostspieliges Problem. Eine einfache Kreuzung im Flußbettniveau ist nicht möglich, da Hochwasser die Kanalanlagen gefährden und die Schiffahrt lahmlegen würde; zudem muß die Betriebskontinuität gerade bei künstlichen Wasserstraßen gewährleistet bleiben.

Diese durchaus nidit einfache Überbrückung könnte aber vermieden werden, wenn die March selbst für die Schiffahrt kanalisiert würde, also der tschechische Kanalverkehr über die March und nicht durch einen gesonderten Wasserweg östlich der March bewerkstelligt würde. Von der kanalisit-rten March könnte der Stichkanal bei Angern nach Wien ohne besondere Sdiwierigkeiten abgezweigt werden.

Österreich müßte sich auf alle Fälle die Möglichkeit offenhalten, den kürzesten und frachtlich billigsten Anschluß an den Oder-Donau-Kanal wahrzunehmen. Es ist bekannt, daß sowohl die altösterreichischen wie die reichsdeutschen Projekte als Mündungspunkt des Oder-Donau-Kanals Wien wegen seiner außerordentlich günstigen Verkehrs- und wirtschaftsgeographischen Lage vorgesehen hatten. Wien stellt einen Verkehrsschnittpunkt erster Ordnung zwischen Nord und Süd, wie zwischen Ost und West dar, dessen bevorzugte Lage sich die internationale Wirtschaft, die nur die bewährten Handelswege geht, seit Jahrhunderten zunutze gemacht hat und sich ihrer auch in Zukunft immer wieder bedienen wird. Der Platz ist also auch für die Tschechoslowakei von Bedeutung. Ein anderes wichtiges Moment darf nidit außer acht gelassen werden: die Wasserversorgung des Marchfelds, der Kornkammer Wiens, würde bei Schaffung des Stichkanals ihre ideale Lösung finden.

Bei der Bereitwilligkeit beider Staaten, ihre beiderseitigen Interessen in betont freundschaftlichem Geiste in Einklang zu bringen, kann erwartet werden, daß eine für beide Teile befriedigende Lösung des wichtigen Problems gefunden werden wird.

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