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ÄNGSTE HEMMEN DEN BRUCKENSCHLAG NACH DRÜBEN

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Geplante Grenzübergänge über die Flüsse March und Thaya stoßen auf den Widerstand der Bevölkerung

Stellen Sie sich vor, Sie haben 45 Jahre als Einsiedler gelebt und plötzlich wird - wenige Meter neben Ihrer Eremitage - eine zweite Großfeldsiedlung hochgezogen. Ähnliche Gefühle dürften derzeit die Bewohner der Gemeinden an der ehemals (?) toten Grenze zur Slowakei beschleichen.

Im Gegensatz zur Nordgrenze (gegen Böhmen und Mähren) gilt es hier, mit den Flüssen March und Thaya, noch zusätzliche Hemmnisse zu nehmen. Technisch - in Zeiten wie diesen, wo (wieder einmal) eine Brük-ke über den Bosporus im Gerede ist -kein Problem. Als weit schwierigeres Unterfangen erweist es sich dagegen, die Barrieren in den Köpfen der Menschen zu überwinden. Rationale Argumente, gepaart mit irrationalen Ängsten verhindern eine sachliche Diskussion und den (technischen wie sozialen) Brückenschlag.

Eine der Hauptsorgen: Ein Grenzübergang könnte die momentane (Grabes-) Ruhe stören. Wo heute fast ausschließlich Einheimische zu den nächstgelegenen Nordbahn-Stationen unterwegs sind, um von dort - meist nach Wien - auszupendeln, fürchtet man, sich nach der Grenzöffnung in einer Abgaswolke Made by Skoda wiederzufinden.

Gelitten sind gerade noch die Wochenend-Besucher, bei denen es sich meist ohnedies um Emigranten handelt, die - aus beruflichen Gründen - nach Wien übersiedelt sind und das Wochenende in ihren Elternhäusern verbringen. Tief im Bauch sitzen schließlich Ängste vor einem Anschwellen der Kriminalität und einer Welle (billiger) slowakischer Arbeitskräfte.

Wenig zur Entkrampfung der Situation trägt das Land bei, dessen Verkehrsexperten nicht müde werden (wie vor wenigen Tagen in Dürnkrut), ständig zu betonen, daß man niemandem eine Brücke einreden wolle. Und damit Konzeptlosigkeit der Landesstellen signalisieren. Die Politiker-von den Abgeordneten bis hinauf zum hier beheimateten Regierungsmitglied Werner Fasslabend -gehen zum Thema überhaupt auf Tauchstation.

Einzig Josef Purkhauser, Handelskammer-Chef für den Bezirk Gän-serndorf, wird nicht müde, bei jeder sich bietenden Gelegenheit der Brük-ke das Wort zu reden. Und erntet den Vorwurf, kein wirkliches Standort-Konzept zu haben.

„In Hohenau fordert er die Brücke für diese Gemeinde, in Zistersdorf für Dürnkrut, in Angern plädiert er für diesen Standort und auch den March-eggern hat er schon ihre Brücke versprochen", kritisiert der SPÖ-Bürger-meister von Angern/March, Leopold Abraham, den Wirtschafts-Vertreter. Um auch gleich zu einer vollen Breitseite gegen das Land, das „alle Gelder für St. Pölten" brauche, auszuholen. Alleine, das politische Gezänk zwischen den Politikern hilft weder der Wirtschaft, noch trägt es dazu bei, der Bevölkerung Verunsicherung zu reduzieren.

Während sich Purkhauser und Co. eine Belebung des toten Winkels zwischen Brünner Straße und March versprechen, wollen die Leute dort in erster Linie eines: Ihre Ruhe.

Selbst in Wirtschaftskreisen sind die Wünsche des obersten Handelskämmerers der Region nicht unumstritten. Trixi Nagl, langjährige Wirtschaftsbund-Chefin in Dürnkrut (jener Gemeinde, die sich nach einer Verkehrsstudie des Landes am ehesten für einen Übergang eignet), will „lieber auf einige Tausender Umsatz verzichten", als die eigene und die Lebensqualität ihrer Mitbürger die March hinuntergehen zu sehen.

Eine Aussage, die im Kontext der kontinuierlichen Talfahrt in den Gemeinden entlang von March und Thaya gesehen werden muß. Betriebsschließungen am laufenden Band, zweistellige Abwanderungsraten und eine völlig überalterte Bevölkerungsstruktur (in Hohenau/March ist bereits jeder dritte Einwohner über Sechzig) haben bei vielen Zurückbleibenden zu einer Bunkerstimmung geführt. Mit der dazugehörigen Aversion gegen jede Änderung.

Bisher gibt es einzig in Zistersdorf und Hohenau - zaghafte - Versuche, mit den Nachbarn ins Geschäft zu kommen. Die ehemalige Ölstadt - wo man von der Brücke in Dürnkrut eine Belebung der Läden erhofft - hat sich damit zum Lieblingsfeind der Dürn-kruter entwickelt.

Wobei sich in die momentane Diskussion noch gar nicht die Bewohner jener Gemeinden, die - in einiger Entfernung von der Grenze - allenfalls in den „Genuß" des Durchzugsverkehrs Richtung Wien kommen könnten, eingeschaltet haben.

Die Wirtschaft dieser Kommunen hat auch wenig von der Öffnung der CSFR-Grenzen profitiert. Abseits der klassischen Routen nach Wien (via Hainburg, Poysdorf, Laa, Mistelbach oder Hollabrunn) gibt es seitens der Kaufmannschaften etwa in Gänsem-dorf kaum Initiativen zur Akquirie-rung slowakischer Kunden.

Bleibt schließlich noch ein Aspekt, der von österreichischer Seite zwar nicht zu beeinflussen ist, der Republik aber trotzdem (um sich der Politikersprache zu bedienen) „Hand-lungsbedarf' auferlegen könnte. ' Sollte es nämlich zur Teilung der CSFR kommen, wird mit zwei Grenzübergängen in die Slowakei (Berg und Kittsee) nicht mehr das Auslangen zu finden sein. Noch dazu, wo sich diese beiden Übergänge in unmittelbarer Nähe befinden,

Spätestens dann muß ein (mit der Bevölkerung) ausdiskutiertes - und auch realisierbares - Konzept vorliegen.

Der Autor ist Redakteur der Niederösterreichischen Nachrichten (Neue NÖN).

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