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Es knistert im Commonwealth

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An einem der wenigen Spätsommertage, die heuer London beglückten, schien sich die Furcht jener zu bestätigen, die da das Ende des Commonwealth nahen gesehen haben. Ein sichtlich erschöpfter Harold Wilson fand mit den Vertretern der afrikanischen Mitglieder des Commonwealth, zu denen sich fernöstliche und westindische Länder und Kanada als Unterstützung gesellten, keine gemeinsame Plattform mehr über Rhodesien.

Denn Rhodesien überschattete die eben abgeschlossene Commonwealth- Konferenz wie ein riesiger Alptraum. Eigentlich wurde trotz vielen wichtigen Fragen über nichts anderes geredet als über Rhodesien. In den kleinen inoffiziellen Zusammenkünf ten der afrikanischen Delegationen, in Gesprächen zwischen dem kanadischen Premierminister Lester Pearson, dem indischen Außenminister Swaran Singh oder dem Premierminister von Singapoor, Lee Kuan Yew beherrschte Rhodesien die Szene ebenso wie in den großen offiziellen Treffen. Harold Wilson rückte auch auf der Konferenz nicht von seiner Linie ab, die durch seine Ablehnung einer gewaltsamen Wiederherstellung der verfassungsrechtlichen Zustände ir. Salisbury gekennzeichnet ist. Gerade auf eine solche strebten die afrikanischen Mitglieder hin, die Mr. Wilson als Vorsitzendem des Commonwealth zu verstehen gaben, daß ökonomische Sanktionen zu nichts führten und nur Gewalt der Demokratie zum Sieg verhelfen könnten.

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Als am 12. September nachmittag die Delegierten wieder zu einer der zahlreichen, und wie es schien, nutzlosen Sitzungen zusammenkamen, hatte bereits ein neues Wort in Whitehall die Runde gemacht: NIBMAR (NO INDEPENDENCE BEFORE MAJORITY RULE), keine Unabhängigkeit von einer Mehrheitsregierung. Siebzehn von zwei undzwanzig Delegationen hatten sich auf diesen Kurs festgelegt und der Delegierte von Sierra Leone, Sir Albert Margai in der Woche vorher zwei volle Stunden über dieses Thema gesprochen. An diesem Montagnachmittag nun vertagte sich die Konferenz resigniert auf einige Stunden. Ehe sie wieder in Marlborough House, unweit des berühmten Bloomsbury, in diesem eigenartigen runden Haus, dem Sitz der meisten Commonwealth-Hochkommissariate die offiziellen Gespräche Wiederauf nahmen, traf man sich auf einem Empfang, den der Generalsekretär des Commonwealth, Arnold Smith, veranstaltete. Und auf diesem Empfang ließ sich Mr. Wilson in Debatten mit afrikanischen Delegierten ein, war wegen Schlafmangels ein wenig gereizt, und nach allgemeiner Auffassung gab für das Commonwealth niemand mehr einen Pfifferling.

Die Abendsitzung, die dem Empfang folgte, zerrann in endlose Diskussionen über den Begriff, was denn wohl unter dem „gesamten Volk von Rhodesien“ zu verstehen sei, das eine Verfassung annehmen müßte, die zur Mehrheitsherrschaft führen würde. (Dies war eine der britischen Thesen.) Um 23 Uhr war diie Lage wirklich hoffnungslos, und die Konferenz vertagte sich auf den nächsten Tag. Die siebzehn NIBMAR-Länder entschlossen sich zu einem Kommunique, das der Konferenz vorgelegt werden sollte, wobei es Großbritannien und seinen wenigen Verbündeten selbstverständlich überlassen blieb, ein separates Kommunique zu veröffentlichen. Womit sich die Konferenz und das Commonwealth in zwei Lager gespalten hätte.

Hinter verschlossenen Türen... Angesichts des bedrohlichen Ganges der Ereignisse, piief Mr. Wilson noch Montag nacht seine engsten Ratgeber zu sich in das Marlborough

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