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Blut— der besondere Saft

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Die Genealogie hat sich allen ihren geltenden Vorurteilen zum Trotz befreit von der Verknüpfung mit einer sie irrdeutenden politischen Tendenz; sie hat sich überall in der freien Welt als echte und zeitgemäße Wissenschaft entwickelt. Genealogie wird an Hochschulen gelehrt, und viele Disziplinen schöpfen aus den Ergebnissen der „Lehre von den auf Abstammung beruhenden Zusammenhängen zwischen den Menschen“. Ja, man ist mitunter gezwungen, genealogische Tatsachen als wichtigste, wenn nicht als einzige Grundlage enträtselter Geheimnisse des Erbgangs anzuerkennen. „

Die genealogische Betrachtungsweise dient mannigfachen Wissenszweigen. Der Biologe, der Arzt wird, indem er die Quelle ihn angehender Sachverhalte entweder auf blutmäßige Herkunft eines einzelnen, einer Menschengruppe zurückführt, oder eine Eigenschaft als' neuerworben zeigt, dieses Dilemma nur nach gründlicher Untersuchung der jeweiligen genealogischen Voraussetzungen entscheiden. Sie waren es, und sie sind es, die uns die bisher bewiesenen „mendelnden“ Merkmale auch beim Menschen enthüllt haben, etwa die Vererbung der Augenfarbe, der Haarbeschaffenheit, die Anomalie der Sechsfingrigkeit, die Nachtblindheit. Beobachtung der Ahnentafeln und

Nachfahrentafeln haben die Zwillingsforschung wesentlich gefördert.

Wir haben ferner gelernt — doch da stecken wir noch in den Anfängen weite Ausblicke eröffnender Erkenntnis —, daß es von Nähe oder Entfernung der Abstammung eines Menschen von einem konkreten Verfahren abhängt, inwieweit dieser Ahne seine eigenen Anlagen im Deszendenten noch zur Geltung bringt. Doch wird diese erste allgemeine Regel durch zwei weitere modifiziert. Es gibt sogenannte Kraftlinien innerhalb der Ahnentafel, die den Erbgang stärker beeinflussen als andere genealogische Wege vom Nachkommen zum Vorfahren. Und zwar scheint der Grundsatz zu wirken, daß eine Uebertragung von Eigenschaften um so eher geschieht, je weniger oft zwischen den Ahnen und dem Sprossen der Weg von einem Geschlecht zum andern geleitet. Der reine Mannesstamm und der reine Mutterstamm sind die wichtigsten Kraftlinien; es folgen an Bedeutung die Linien, die von der väterlichen Großmutter oder vom mütterlichen Großvater, sei es nur über Männer, sei es nur über Frauen, weitergehen und so fort. Je häufiger die Linie „springt“, vom männlichen zum weiblichen Geschlecht oder umgekehrt wechselt, um so geringer die Erbintensität.

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