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Datenbanken berechnen Friedenschancen

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Konfliktforschung und künstliche Intelligenz: Mit der Analyse von Kriegen und Vermittlungsversuchen haben Wiener Wissenschaftler Neuland betreten.

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Konfliktforschung und künstliche Intelligenz: Mit der Analyse von Kriegen und Vermittlungsversuchen haben Wiener Wissenschaftler Neuland betreten.

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Die Geschichte der künstlichen Intelligenz ist eine Geschichte der Finanzierung durch das amerikanische Verteidigungsmini-steriurn", erklärt Johann Petrak, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Forschungsinstitut für Artificial Intelligence (ÖFAI). Weltweit wjürden enorme Beträge für die militärische Nutzung der künstlichen Intelligenz (KI) investiert. Schätzungen dejr Summe seien nur mit äußerster Vorsicht zu genießen, da sich die Verteidigungsministerien naturgemäß bedeckt hielten, sagt Petrak. Sein Kollege Johannes Fürnkranz hält die Zahl von 100 Millionen Dollar (eine Milliarde Schilling) pro Jahr für durchaus im Bereich des Möglichen.

KI wird nach Fürnkranzens Angaben eingesetzt, um automatische Zielsysteme für Baketen zu konstruieren. Auch an Erkennungssystemen, die zwischen den eigenen und den feindlichen Panzern unterscheiden sollen, wird gearbeitet. Schließlich biete sich der gesamte Bereich der Logistik an, da es feich bei Planung um ein typisches Anwendungsgebiet der KI handle, erläutert der Wissenschaftler.

Das ÖFAI arbeitet an zwei Projekten, die in eine andere Bichtung gehen: Konfliktforschung mit KI-Me-thoden.

Ein Al-Computerprogramm kann Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen internationalen Konflikten erkennen. Es stützt sich dabei auf eine Datenbank, in der 1.400 Kriege, Putsche und internationale Krisen aus einem halben Jahrtausend gespeichert sind. Wird dem Programm ein neuer Konflikt vorgelegt, so sucht das Programm nach ähnlichen Ereignissen in der Vergangenheit. Den Bosnien-Konflikt etwa verglich das Programm mit dem Einmarsch der Deutschen in der Tschechoslowakei 1938, mit der türkischen Invasion in Zypern und dem Prager Frühling 1968. Menschliche Experten stimmten diesen Vergleichen durchaus zu, freut sich Fürnkranz. Er sieht das Programm als mögliche Hilfestellung für politische Entscheidungsträger, die mit solchen Situationen konfrontiert sind.

Ebenfalls von einer einschlägigen Datenbank ausgehend, hat ein anderes Computerprogramm Gesetzmäßigkeiten bei Vermittlungsversuchen in internationalen Konflikten entdeckt. Dieses Programm kann ohne menschliches Zutun aus einer unüberschaubaren Fülle von Daten Begeln ableiten. Das Programm erkannte - durchaus zutreffend -, daß Vermittlungsversuche bei einem voll entbrannten Krieg zumeist fruchtlos sind und nur bei noch nicht eskalierten Konflikten gute Erfolgschancen haben. Mit seinen Prognosen für das Gelingen von Vermittlungsversuchen lag das Programm deutlich besser als über den Daumen gepeilte ad-hoc-Einschätzungen von Laien.

„Das sind keine wirklich relevanten Ergebnisse. Dadurch wird kein Menschenleben gerettet und kein Konflikt verhütet", gibt Johann Petrak zu.

Doch mit diesem Problem hätten auch die Konfliktforscher selbst zu kämpfen. „Konflikte entstehen nicht, weil man nicht weiß, wie man sie vermeiden soll. Es gibt einfach Menschen, die den Konflikt suchen. Da sind sowohl Experten, als auch die KI machtlos", weiß Petrak

Trotzdem sind diese Projekte für ihn mehr als eine bloße Spielerei: „Es ist wichtig, daß sie überhaupt angegangen wurden. Wir haben ein Zeichen gesetzt. Wir haben gezeigt, daß künstliche Intelligenz nicht nur zur Kriegsführung verwendet werden kann, sondern auch zur Sicherung und Erhaltung des Friedens."

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