Künstliche Intelligenz - © Foto: iStock/imaginima (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Telefonbetrüger und KI: Enkeltrick 2.0

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Telefonbetrüger klonen mit Künstlicher Intelligenz Stimmen – und prellen ihre Opfer um Millionen. Die Technologie wird zunehmend zur Gefahr für Unternehmen.

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Telefonbetrüger klonen mit Künstlicher Intelligenz Stimmen – und prellen ihre Opfer um Millionen. Die Technologie wird zunehmend zur Gefahr für Unternehmen.

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Am 15. Jänner 2020 erhielt ein Bankmanager in Hongkong einen Anruf aus der Zentrale in Dubai. Am Apparat: der Direktor des Unternehmens. Die Stimme kam ihm bekannt vor, mit dem Chef hatte er schon einige Male telefoniert. Der Anrufer teilte dem Manager mit, dass das Unternehmen eine Firma aufkaufen wolle, ein Rechtsanwalt habe bereits ein Mandat erhalten, die Verträge vorzubereiten. Der Manager erhielt daraufhin mehrere E-Mails über das Prozedere der Firmenübernahme, inklusive der Mandatserteilung.

Der Anwalt wies den Manager schließlich an, 35 Millionen Dollar auf verschiedene Konten zu überweisen. Der Bankangestellte dachte sich nichts dabei, alles schien mit rechten Dingen zuzugehen. Allein, der Anrufer war nicht sein Boss, sondern ein dreister Trickbetrüger. Der Täter hatte mithilfe einer Deep-Voice-Software die Stimme des Chefs geklont, sodass er sich als legitimer Anrufer ausweisen konnte.

Woher das Datenmaterial stammte und ob es möglicherweise gehackt wurde, ist unklar. Die Ermittler in Dubai gehen von einer Tätergruppe von 17 Personen aus. Wie das Magazin Forbes berichtet, hat sich mittlerweile auch die US-Justiz in den Fall eingeschaltet, weil ein Teil der Gelder auf amerikanischen Konten gelandet war.

Es ist nicht das erste Mal, dass Kriminelle mit dieser Betrugsmasche Erfolg haben. Laut einem Bericht des Wall Street Journal riefen 2019 Unbekannte beim CEO eines in Großbritannien ansässigen Energieunternehmens an und imitierten mit einer KI-Software die Stimme des Chefs der deutschen Mutterfirma. Der Geschäftsführer war sich sicher, die Stimme seines Vorgesetzten zu hören, der immer mit einem leichten deutschen Akzent sprach, und überwies in gutem Glauben 220.000 Euro auf das Konto eines ungarischen Zulieferers.

In Mexiko verliert sich die Spur

Nachdem die Überweisung erfolgt war, teilte der vermeintliche Chef in einem zweiten Telefonat mit, dass der Betrag von der Mutterfirma zurückerstattet werde. Als die dreisten Betrüger ein drittes Mal – diesmal von einer österreichischen Nummer – anriefen und eine nochmalige Zahlung verlangten, wurde der Geschäftsführer stutzig – und unterließ eine zweite Überweisung. Ein größerer Schaden konnte so vermieden werden. Doch die bereits überwiesenen 220.000 Euro waren weg. Wie die späteren Ermittlungen ergeben sollten, wurde das Geld auf ein Konto in Mexiko transferiert. Dort verliert sich die Spur.

Schon vor einigen Jahren konnte man im Internet Telefonstreiche spielen, indem man dem Anrufer mit einer Frauen- oder Männerstimme vorspielte, eine Reise gebucht oder Pizza bestellt zu haben. Der Scherzbold konnte dann durch das Drücken vorgefertigter Textbausteine das Gespräch führen. Mit solchen simplen Stimmgeneratoren hat Deep Voice nicht viel zu. Die Künstliche Intelligenz (KI) hat viel mehr Rechenleistung – und ist dennoch kinderleicht zu bedienen. Das Einzige, was man dafür tun muss, ist, eine halbe Stunde lang ein Skript in ein Mikrofon einzusprechen. Die Software zerlegt den Text in einzelne Laute, sogenannte Phoneme, und setzt die Audioschnipsel per Sprachsynthese zu neuen Wörtern zusammen. Der Nutzer gibt anschließend etwas in ein Textfeld ein, und die KI sagt dann Dinge mit derselben Tonalität und Sprachmelodie. Der Stimmklon ist vom Original kaum zu unterscheiden.

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