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Mit einem Federstrich

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Castelo Brancos große Waffe ist eines seiner „Verfassungsdekrete", das ihm die Macht gibt, mit einem Federstrich jedem als „korrupt" oder „subversiv" die politischen Rechte auf zehn Jahre zu entziehen. Zuerst hat er mit dieser Maßnahme nicht nur die Träger des Goulart- Regimes, sondern alle populären Kräfte, die ihm gefährlich sein könnten, von Kubitschek bis Quadros, ausgeschaltet. Damit schien die „Reinigungsaktion“ beendet. Jetzt benutzt er diese beispiellose Macht aber, um auch aus dem Kreis seiner Revolutionäre alle zu entfernen, die ihn stören. Soweit sie nicht nach-

geben, wie im Falle des Gouverneurs Adhemar de Barros, entrechtet er sie. Meist reicht aber die Drohung, zum Beispiel gegenüber dem Revolutionär Nr. 1, Carlos hacerda, dessen Präsidentschaftsträume er zerstörte. So verhinderte er durch eine andere „legale“ Anordnung auch, daß der Kommandant der 2. Armee, Amaury Kruel — einer der Hauptakteure der Revolution —, bei den kommenden Gouverneurswahlen kandidieren kann. Kruel trat jetzt zurück und veröffentlichte gleichzeitig ein langes Manifest, in dem er Castelo Branco wegen „Heuchelei" und „Machtmißbrauchs" anklagte.

Der Präsident fühlt sich aber so sicher, daß er den Schritt als „Gefühlsaufwallung eines gescheiterten Militärs“ abtat, ihn wegen unerlaubten Verlassens seines Postens rügen, aber gleichzeitig als „Mar- schall“ pensionieren ließ.

Castelo Branco spielt ein kompliziertes politisches Schachspiel. Er hat nur eine Partie verloren, als in einigen Staaten bei den vorjährigen Gouvemeurswahlen Oppositionelle gewählt wurden; diese gingen jedoch zu ihm über. Daraufhin hat er die 13 bestehenden Parteien aufgelöst, zwei Drittel der Abgeordneten im Bundesparlament für seine neue politische Basis, die sogenannte Regierungspartei „ARENA" (Allianz zu nationaler Erneuerung), gewonnen und eine sogenannte „Oppositionspartei“, „MDB“ (Brasilianische Demokratische Bewegung), zugelassen. Branco hat dann für die Gouverneurswahlen (in elf Staaten) am 3. September 1966 und für die Wahlen zum Bundespräsidenten (am 3. Oktober 1966) die Volksmeinung ausgeschaltet und das „indirekte Wahlrecht“ verfügt. Damit ist die Wahl des „ARENA“-Kandidaten, des früheren Kriegsministers Costa e Silva, zum Bundespräsidenten gesichert. Um aber die Gewähr zu haben, daß auch nur Gouverneure dieser Richtung gewählt werden, hat er zum Beispiel im südlichen Staat Rio Grande do Sul „klare Mehrheitsverhältnisse" geschaffen, indem er einige untadelige Parlamentarier entrechtete. Die Opposition hat sich darauf von beiden Wahlen zurückgezogen, hofft aber noch auf die Parlamentswahlen, die für den 15. November 1966 angesetzt sind. Es wäre jedoch ein Wunder, wenn Castelo Branco einen Gegner wie Kruel, der jetzt für den MDB kandidieren will, ins Parlament ließe. Castelo Branco will sein Amt erst am 15. März 1967 auf seinen Nachfolger übertragen. Bis dahin kann er jeden Politiker nach Belieben kaltstellen. Der Abgeordnete Vieira de Melo hat erklärt: „Noch niemals hat man so etwas erlebt. Sogar der am 3. Oktober gewählte Präsident kann von dem jetzigen abgesetzt werden.“ Nur die verlorene Fußballweltmeisterschaft dürfte in der brasilianischen Presse ein so starkes Echo haben wie das Thema der sogenannten „revolutionären Nachfolge“.

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