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Peter Kampits' Einführung zu Jean-Paul Sartre.

Wie kaum ein anderer Philosoph des 20. Jahrhunderts verkörperte Jean-Paul Sartre den Typus des schillernden Denkers, der stets für Überraschungen gut war. Sartre zeichnete sich durch zahlreiche Widersprüche und Brüche aus, die ihm wohl bewusst waren. Er sei nicht derjenige, so bemerkte der Meisterdenker ironisch, dem er sein Vertrauen schenken würde.

Dieser provokativen, facettenreichen Philosophie hat der in Wien lehrende Philosoph Peter Kampits nunmehr eine verständlich geschriebene Einführung gewidmet. Kampits geht es dabei weniger um eine fulminante Interpretation, wie sie etwa Bernard-Henri Lévy vorlegte, sondern um eine werkgetreue Darstellung. Im Zentrum der Einführung zu Sartre steht eine Analyse der philosophischen Entwürfe Sartres; Kampits bezieht sich aber auch auf Sartres literarisches Werk, die Theaterstücke, die umfangreiche Biografie zu Gustave Flaubert und sein politisches Engagement.

Vorerst jedoch wird das Leben Sartres besichtigt. Dabei fällt auf, dass die psychische Disposition Sartres bereits in den Kindheitsjahren bei den Großeltern eine entscheidende Prägung erfuhr, die auch seine Philosophie bestimmte: Um den Forderungen des autoritären Großvaters zu entsprechen, versteckte sich "Poulou" - so Sartres Rufname - hinter der Maske des artigen Kindes und flüchtete in die imaginäre Welt der Bücher - der "Wörter". So entstand "ein Riss im Sein", ein unüberbrückbarer Graben zwischen dem eigentlichen Sein und der Inszenierung für andere. Die anderen wurden dabei als ständige Bedrohung erlebt. "Die Hölle, das sind die anderen" heißt es in Sartres Drama "Geschlossene Gesellschaft".

Dieser Grundgedanke bestimmte auch die existenzialistische Phase von Sartres Denken, dessen Höhepunkt die Publikation von "Das Sein und das Nichts" im Jahre 1943 darstellte. Der Existenzialismus ist der Versuch der Emanzipation; das Subjekt soll sich der "mauvaise foi" - der Unaufrichtigkeit - entziehen, die darin besteht, die Rollenerwartung der anderen zu erfüllen. Als Credo des Existenzialismus gilt: "Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht". Der Mensch wird aufgerufen, seine eigene Existenzform - das "Für-sich-sein" - zu wählen, wobei ihm bewusst ist, dass es sich dabei immer nur um einen vorläufigen Entwurf handelt. Kampits betont, dass der Aufruf zur Freiheit sich als schwere Last erweise, da dieser Entwurf des "Selbstseins" ständig vom Scheitern bedroht sei.

Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte ein fundamentaler Bruch. Sartre verurteilte seine existenzialistische Philosophie als "kleinbürgerlich" und wandte sich dem dogmatischen Marxismus stalinistischer Prägung zu. Später erfolgte noch eine weitere politische Radikalisierung; so fungierte er als Herausgeber maoistischer Zeitschriften und feierte Fidel Castro als Lichtgestalt des revolutionären Handelns.

Trotz der zahlreichen politischen Verirrungen Sartres schätzt Kampits sein kompromissloses Denken gegen sich selbst, seinen Willen, alles umzustürzen und radikal in Frage zu stellen. Im Gegensatz zu Jürgen Habermas hat sich Sartre niemals um eine Konsensphilosophie bemüht; sein Philosophieren versteht sich als Experiment, das auch scheitern kann. Dieser Mut zum Scheitern verdient es - so Kampits -, auch heute noch ernst genommen zu werden.

Jean-Paul Sartre

Von Peter Kampits

Verlag C. H. Beck, München 2004

172 Seiten, kart., e 13,30

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